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Laos Tagebuch Anno Domini MMII (2002)
Vorwort: Ich glaube nicht daran, alles was ich sehe auch zu verstehen, trotzdem muß ich es aufschreiben. So unvollständig die Bilder auch sind, so sind sie doch einzigartig, weil ich sie sehe. Die Dinge geschehen nicht um von mir gesehen zu werden. Sie sind einfach zufällig am gleichen Ort, wie ich es bin. So schreibe ich sie auf.
Ilona Duerkop
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Vientiane, Donnerstag
den 3. Januar 2002

Heute kam Pan zur Arbeit, jedoch nicht mir ihrem Fahrrad, dass ich nun seit mehr als fünf Jahren kenne und diverse Reperaturen bezahlt habe, denn ihr Weg zur Arbeit war bis vor einem Jahr noch sehr weit, kam sie doch fünf Tage in der Woche aus ihrem Dorf, Bahn Hongsuphab, 12 Kilometer von Vientiane entfernt. Die Reperaturen hielten sich in erstaunlichen Grenzen, waren es doch täglich mindestens 24 Kilometer die Pan auf ihrem Fahrrad fuhr.
Heute kam Pan mit einem neuen Moped zur Arbeit. Täuschte ich mich oder war sie größer als sie durch das Tor hereinfuhr?
32.000 Baht hat die Honda Wave gekostet. Das war das Erste das sie mir erzählte. Ich bewunderte das strahlende Model gebührent und sagte es sei rot und schwarz. Nein, nein es sei nicht rot, sondern Vogelblutrot.
Auch wenn ich diese Farbe noch nie gehört hatte, so verstand ich doch die Worte: Blut und Vogel und ja, was ich bordeauxrot nennen würde, war auch die Farbe des Vogelblutes, welches ich auch schon gesehen hatte. Also Vogelblutrot und brandneu, auf dem Tacho gerade einmal 2 Kilometer, während ich mich begann darüber zu wundern erzahlte Pan mir schon, dass der Tacho nicht funktioniert und ob das schlimm sei?
Na ja, sie könne ein Jahr mit dem Moped fahren und es dann immer noch mit 2 Kilometern auf dem Tacho verkaufen, sagte ich lachend und es dauerte eine Weile, bis mir klar wurde, dass könne ja auch Pan passiert sein. Ich sagte es ihr und beruhigte sie gleich wieder, denn alles an dem Moped ist neu. Selbst die Reifen haben noch die kleinen Noppen die sich nach den ersten 20 Kilometern abfahren. Ich bin sicher das sie nach der Arbeit sofort dort hin fahren wird wo sie das Moped gekauft hat und wortreich den nicht funktionierenden Tacho einklagen wird.
Morgen geht er wieder .......... wetten.
 

Vientiane, Freitag
den 4. Januar 2002

Mangoblütenzeit ist fast schon vorbei. Die ersten grünen Mangos sind schon zu sehen, groß wie der Kopf einer Stecknadel. Bis sie ausgewachsen sind wird es eine ganze Weile dauern, sie brauchen viel Sonne, im Mai wird es soweit sein, zumindest was die Mangos in meinem Garten betrifft. Mangos kommen inzwischen das ganze Jahr auf den Markt, ausserhalb der Zeit sind es Mangos aus Thailand die in Laos zu kaufen sind.
 

Vientiane, Samstag
den 5. Januar 2002

Die Dinge ändern sich und manches ändert sich auch in Laos schnell, der Flugplan zum Beispiel. Inzwischen fliegen vier Maschinen der Lao Aviation nach Luang Prabang im Norden des Landes, täglich. Zwei Mal am Tag verläßt eine Maschine den internationalen Flughafen in Vientiane mit dem Ziel Bangkok. Bereits eine Stunde nach dem Start ist schon wieder Landung angesagt. Entfernungen schrumpfen zusammen und das wird besonders deutlich bei den Inlandflügen der Lao Aviation. Manche Provinzen sind in der Regenzeit nur mit dem Boot zu erreichen und selbst wenn es Strassen gibt, lässt deren Zustand Streckenweise nur eine Geschwindigkeit von 20 Kilometern in der Stunde zu. Da überlegt sich manch ein Reisender ob er nicht doch fliegt. Doch für manch einen Inlandflug braucht man auch Mut, den hat so manch einen schon verlassen beim Anblick der Maschinen. Wenn auch die MI 8, ein vergrößerter Helicopter, nicht mehr fliegt, so sind die Propeller-Maschinen hier in Laos ein musealer Anblick.
Die ausländischen Botschaften in Laos haben im letzten Jahr eine allgemeine Empfhelung ausgesprochen nach der nur mit der modernsten Maschine der Lao Aviation zu fliegen sei, der ATR. Einige Provinzen werden jedoch nicht von der ATR angeflogen und dorthin zu fliegen ist ein Erlebnis im doppelten Sinne, es fängt bereits beim Flug an.
So erlebte ich einmal auf einem Flug nach Xieng Khuang wie beim Durchfliegen der Wolkendecke Nebel in die Maschine eindrang.
 

Vientiane, Mittwoch
den 9. Januar 2002

Allein die Wand aus Postkarten wäre schon ein Foto wert. Auf der heimlichen Hauptstrasse der Touristen findet sich dieser Laden, der fast ausschliesslich vom Postkartenverkauf lebt und von den Tauschgeschäften, dem Ankauf kleiner Buddhas.
Hier gibt es auch Touristeninformationen, wer fragt bekommt Antworten in einem sehr guten Englisch und mit jedem Gespräch wird die Aussprache und der Wortschatz der Ladenbesitzerin grösser.
Die Postkarten zeigen Bilder aus ganz Laos, hier eine alte Frau Opium rauchend, dort eine Pagode in Luang Prabang, Touristen mit aufgepumpten Autoschläuchen unter dem Arm, auf dem Weg zum Fluss in Vang Viang, einen Wasserfall auf dem Büffelberg, Reisfelder so weit das Auge der Camera reicht, Gemüsestand auf dem Markt und Landschaft.
So manch ein Fotograf hat sich schon darüber gewundert, seine Fotos plötzlich als Postkarte wieder zu sehen.
Nur ein kleines Stück weiter ist ein grosser Konikaladen, dort werden wohl die meisten Fotos in Vientiane entwickelt.
 

Vientiane, Donnerstag
den 10. Januar 2002

Kurz vor der Kurve, an der die Uferstraße vom Mekong abbiegt, sehe ich den alten Mann wieder, mit dem ich vor langer Zeit ein Gespräch hatte. Wir trafen uns nicht weit von seinem Haus und er grüßte mich "Sa bei di", dachte ich sei eine Touristin die sich bis hier her verlaufen hatte. Ich fragte ihn wohin er ging und er fragte aus welchem Land ich käme.
So entwickelte sich ein Gespräch in dem schon sehr bald seine Sorgen und Gedanken auftauchten.
Er erzählte mir, das seine Tochter seit acht Jahren in Amerika lebt. Sie hat ihren Mann hier in Laos kennen gelernt, ein Tourist der sich verliebte und wirklich wieder kam um die Tochter zu heiraten. Dann nahm er sie mit.
Seit sie in Amerika lebt hat sie ihren Vater erst einmal besucht und jetzt hat sie einen kleinen Sohn, den der Großvater nur vom Foto her kennt. Stolz erzählte er von dem Haus, das seine Tochter in Amerika hat, fast so als sei er selbst schon dort gewesen.
Bald geht die Sonne unter und er wartet darauf das ich vorbeigefahren bin damit er mit seinen beiden Wasserbüffeln, die er am Strick führt die Straße überqueren kann. Er sieht müde aus. Älter als im letzten Jahr. Er erkennt mich nicht.
 

Vientiane, Freitag
den 11. Januar 2002

Immer noch ist es für mich ein kleines Wunder, wenn ich daran denke wen ich mit dieser Homepage da draussen in der Welt erreiche. Ich sitze hier in Laos auf meiner Terrasse und habe das Laptop auf dem Tisch. Vor dem Tor fahren ab und zu ein paar Mopeds vorbei die den Staub auf dem unbefestigten Weg aufwühlen. Dieser unscheinbare Weg kann sich aber auch leicht zur Straße entwickeln, wenn sich hier zwei Autos begegnen und sogar aneinander vorbei kommen, das traut man diesem kleinen Weg gar nicht zu. Selbst Lastwagen und natürlich der Wagen der Müllabfuhr ...... Doch davon wollte ich gar nicht schreiben, nicht eigentlich. Von hier aus, gehen meine Worte und Fotos rund um die Welt. In Mexiko, in Amerika, in Malaysia, in Finnland, in Spanien, in Frankreich, in Österreich ganz egal wo überall wohnen Menschen die meine Seiten besuchen und mein Leben und Erleben mitverfolgen. Inzwischen habe ich auch schon Menschen im wirklichen Leben kennen gelernt, die ich bisher nur virtuell und per E-Mail kannte. So hat dieses Tagebuch also auch ganz konkrete Kontakte geschaffen, oder das Netz, das Gästebuch oder das Salonfrum. Heute denke ich aber auch an die, die mein Tagebuch still verfolgen, die regelmässig kommen und schweigend wieder gehen. Sie tauchen als Zahl in meiner Statistik auf. So weiss ich auch von denen die keine Spuren hinterlassen. Ein kleines Wunder, das durch so ein unscheinbares Kabel eine Verbindung mit der ganzen Welt möglich ist. Auch auf dieser Kabelstraße begegnen sich Menschen und plötzlich kann sie sehr bewegt sein, groß und weit. 
 

Vientiane, Montag
den 14. Januar 2002

Am 2. April 1996 kam ich auf dem internationalen Flughafen in Vientiane an. Dieses digitale Tagebuch begann ich erst drei Jahre später. Vor allem lässt es sich damit begründen das der Zugang zum Net in Laos erst 1999 frei gegeben wurde. In der Zeit davor herrschte digitales Schweigen im ganzen Land. Eine zeitlang hatte ich ein E-Mail Konto in Thailand, Mozart Net. Bei jedem Abrufen meiner Mails musste ich also einen Computer im Ausland anwählen. Ausserlandes.
Entsprechend höhere Gebühren musste ich in dieser Zeit in Kauf nehmen. Nun ist mein Server in Vientiane, wenn er auch oft down ist, so nehme ich ihm das nicht sehr übel. So kommt es ab und an vor, das mein Laos Tagebuch nicht nur einen neuen Eintrag beim upload enthält, sondern oft gleich Zwei, seltener gibt es drei neue Einträge. So lohnt es sich auch weiter unten nach zu sehen. Mit dem Tagebuch bereits vertraute Leser gehen gleich ins Archiv und lesen dort und nicht wenige drucken die Seiten aus um sie besser lesen zu können. Nur wenige Menschen lesen mehr als fünf Seiten am Bildschirm, hieß es unlängst in einer Zeitung vom 6. Dezember, die ein freundlicher Besucher im DED Büro liegen ließ, so kommen alte Zeitungen noch zu besonderen Ehren. Dank des Netzen erreichen mich die Neuigkeiten in aller Welt, auf meinem Bildschirm hoch aktuell, doch altmodisch lese ich gerne noch aus der Hand. Auch macht es einen großen Unterschied ob man einen Kaffee über einer Zeitung leert, oder über ein Laptop, die Zeitung kann man trocknen und sogar wieder lesen, das Laptop kann man wegwerfen.
 

Vientiane, Donnerstag
den 17. Januar 2002

Vor allem auf der Dong Palang Road die aus Vientiane herausführt haben sie ihre Stände gehabt. Farmerfrauen die aus der Provinz kamen um ihre Wassermelonen zu verkaufen. Auf der nackten Erde lagen die Melonen aufgeschichtet dahinter stand ein Bettgestell auf dem oft zwei Erwachsene und meist ein Kind in der Nacht Platz fanden. Zum Schutz gegen die Sonne einen ausgedienten Fliegerfallschirm aus US Beständen oder eine blau weiße Plastikplane, an einer reich verzierten Mauer der vielen Pagoden, befestigt. Der Vorplatz einer Pagode ist der bevorzugte Platz für einen Marktstand, hierher wagen sich keine Geister, die in der Nacht in die schlafenden, wehrlosen Körper eindringen könnten und ihn krank machen.
Eine Frau mit ihrem Kleinkind ist übrig geblieben. Die Kleine ist erkältet der Rotz ist über ihre Backen verschmiert und fröhlich turnt sie auf dem Bettgestell ohne Matratze herum. Ihr scheint der Ausflug in die Stadt Freude zu machen.
Eine große grüne Melone fährt mit mir nach Hause.
Die Augen des Mädchens begleiten mich und ich würde gerne wissen was aus ihr werden wird.
In ein paar Monaten wird die Frau wieder Melonen ernten, aber sie sagt,  ihr Mann solle dann in die Stadt fahren, nachts hat sie Angst. Sie würde gerne in der Pagode schlafen, aber sie kann ihre Melonen nicht alleine am Straßenrand liegen lassen.
 

Vientiane, Mittwoch
den 23. Januar 2002

Heute ist ein ganz besondere Tag und wir feiern ein Fest. Ein laotisches Fest. Eine Basi.
Mitten im Haus, dort wo sonst der große Esstisch steht liegen Matten auf dem Boden. Freunde, Kollegen und liebe Bekannte sind gekommen um diesen Tag mit uns zu feiern. Heute wird unser Sohn 100 Tage alt.
Kai Kham hat seinen Vater und den Zeremonienmeister aus seinem Dorf zu uns eingeladen. Ohne den Zeremonienmeister ist keine Basi möglich, bei ganz großen Anlässen werden die Gebete von einem, oder mehreren  Mönchen gesprochen. Es ist kein Sprechen im eigentlichen Sinne sondern mehr ein Singsang, in Bali, nicht in laotischer Sprache. Auch unser Zeremonienmeister spricht die Gebete in Bali. Von Kai Kham weiß ich das sein Vater und seine Mutter Bali noch verstehen. Ich bin froh das seine Eltern beide gekommen sind. Der große Raum wird durch die vielen Menschen richtig warm. Auf dem laotischen Esstisch, der etwas höher ist als gewöhnlich, nämlich 30 Centimeter, steht das Basigesteck in einer silbernen Schale  Eine verkleinerte Stuppa wie sie im Wat zu finden ist, aus vielen zu Zylindern gedrehten Bananenblättern, auf die Spitzen sind  gelbe Blüten gesteckt den Abschluß bilden immer drei weiße Blüten die sehr süß duften. In der Mitte des größten Zylinders sind lilafarbene Orchideen. Lange weiße Fäden führen in die zum Gebet gefalteten Hände. Es sind vier, für jede Himmelsrichtung ein Faden. Die laotischen und deutschen Freunde berühren leicht den ovalen Tisch, wer in der zweiten oder gar dritten Reihe, um den Tisch herum sitzt, berührt seinen Vordermann, so sind wir alle miteinander verbunden.
Der alte Mann beginnt seinen Singssang und etwas im Raum verändert sich. Das Baby liegt auf meinen Schoß, die Beine habe ich seitwärts angwinkelt. Den Männern ist es erlaubt im Schneidersitz zu sitzen. Drei Mal werden Reiskörner über die Köpfe geworfen, beinahe wie Schnee bleiben einige in den Haaren hängen.
Um die Basistuppa herum stehen kleine Schüsseln mit Kuchen, gekochten Eiern, Reis, Lao Lao der laotische Reisschnaps, Bonbons und andere Süßigkeiten. Sogar ein fertig gekochtes Hühnchen mit Kopf und Beinen.. All dies wurde am Morgen im Wat von den Mönchen gesegnet. Vor allem Lars und ich sollen von diesen Dingen essen und trinken, damit wir lange gesund und glücklich bleiben.
Noch während der Zeremonienmeister die guten Geister auf uns herab bittet, nimmt Poh (Vater) die ersten Basifäden die aufgereiht an dünnen Bambusstangen herabhängen. Drei weiße Fäden nimmt er ab und reicht die anderen an unsere Gäste weiter. Er ist der Erste der uns seine Wünsche sagt. Während er mir alles Glück, Gesundheit und viel Geld wünscht, knotet er einen Basifaden um mein Handgelenk. Als er bei dem schlafenden Silvan auf meinem Schoß seine Wünsche leise spricht ist ein 5000 Kipnote eingerollt am Basifaden, drei Knoten macht er und Silvan hat den ersten Basifaden seines Lebens an seinem zarten Handgelenk.
Der Zeremonienmeister hat seine Gebete beendet und nun kommt auch er zu uns gerutscht, denn niemand steht auf und geht herum zu diesem Zeitpunkt. Lars steht ein Eierbecher mit Lao Lao auf der ausgestreckten Hand während der Zeremonienmeister seine Rede an ihn richtet, als der Basifaden geknotet ist muß Lars den Lao Lao trinken, auch für mich denn zum Glück kann ich keinen Alkohol trinken.
Nun kommen all unsere Gäste und sprechen ihre Wünsche für unsere Zukunft. Bald schon sind unsere Handgelenke weiß, von weitem könnte ein Betrachter glauben wir trügen Verbände. Silvan´s Ärmchen sind bis zu den kleinen Ellbogen verschwunden. Zu dem einen Kipschein sind noch einige hinzugekommen.
Nach der Zeremonie trägt Lars auf Anweisung von Poh die Stupa aus Bananenblättern in unser Schlafzimmer, dort soll sie ein paar Tage bleiben. Diesen Teil der Zeremonie habe ich als Gast nie mitbekommen.
Der Klebreis hat während der ganzen Zeremonie in Bambuskrörben neben dem Tisch gestanden so ist auch er gesegnet nun stehen die beiden großen Kau Nijau (Klebreis) - Körbe geöffent auf dem Büfett und der inoffizielle Tei kann beginnen.
Als die Party fast schon zu Ende ist und einige Gäste schon geganen sind, wird ein Tisch immer voller.
Es sind die jungen Männer aus unserem Dorf, sie bleiben solange bis auch das letzte Bier gertunken ist.
 

Vientiane, Sonntag
den 27. Januar 2002

Die Uhr ist nach ihnen zu stellen. 17 Uhr und die Farmerfrauen kommen Gießkannen beladen um ihre Handtuch grossen Felder zu gießen. Hier vor den weißen Gittern des Clubs haben sie Salat gepflanzt. Die Geschäfte gingen gut, denn zwei der Familien die diesen schmalen Mekonguferstreifen bewirtschaften pumpen Wasser das Steilufer herauf. In der Trockenzeit fällt der Pegel bis zu 10 Meter. Die Bewässerung war dann besodners schwierig. Mühsam  musste das Wasser gießkannenweise den Steilhang heraufgeschleppt werden. Eine elektrische Wasserpumpe konnte gekauft werden.
Bambusstangen stützen ein weißes Stromkabel ab, irgendwann entschwindet es meinen Blicken und ich kann nicht erkennen woher es kommt. Das Ende ist an einen Baum gehängt und eine Steckdose an den blanken Drähten festgedreht.
Manchmal ist an diese Steckdose auch ein Radio angeschlossen und die Musik versüßt die Arbeit.
Die Neugierde vor dem Zaun ist längst gegen Null gewandert, hinter dem Zaun aber wird gerne fotografiert, meist der malerische Sonnenuntergang aber hin und wieder werden auch die Felder fotografiert. Immer wieder kommen neue Clubmitglieder, oder Besucher. Entwicklungshilfe in Laos, hier im Club knüpft man Kontakte, redet über das Projekt oder genießt einfach das Nichtstun. Noch ist das Wasser des Pools kalt und es sind wirklich überwiegend Schweden die ihre Bahnen ziehen. Neu im Club auch Fitnessgeräte aus Australien. So kann wer will auf einem Standfahrrad, den Blick fest auf den Mekong gerichtet seine Kilometer abstrampeln. Schwitzend Kilo stemmen und den nicht schwitzenden Farmern bei der Arbeit zu sehen.
Ich kann mir gut vorstellen das das Interesse vor dem Zaun jetzt doch wieder zugenommen hat, zumindest was die blechüberdachte Folterkammer angeht. Hanteln in allen Größen werden hier in Laos schon lange von Schmieden zusammen geschweißt.
Die vom Club wurden in Australien hergestellt und sind silbern, blenden sehr scharf das Auge des Betrachters wenn die Sonnenstrahlen reflecktiert werden und man weiß genau wieviel man stemmt, steht drauf auf den runden Scheiben.
 

Vientiane, Dienstag
den 29. Januar 2002

Kleine Wunder gelingen auch manchmal der Post. Am 27. Januar wurde ein Brief in Wesseling, bei Köln in den Briefkasten geworfen, bereits einen Tag später konnte der Brief als eingegangen, im Hauptpostamt, abgestempelt werden. Am Abend fand sich der Brief dann schon auf meiner Terrasse.
Heute brachte ich die Antwort auf den Weg und ich habe mich bemüht der Schnelligkeit nicht im Wege zu stehen, zu Hause habe ich schon eine Briefmarke auf den Brief geklebt, 4.000 Kip, 500 Kip zuviel, aber das macht nichts.
Vor der Post sitzt ein alter Mann mit einem roten Plastikkorb auf einem Klappstuhl. In seinem Korb findet man alles was man vor einem Postamt benötigt. Briefumschläge, für Luftpost, in pakpapierbraun und Briefumschläge in rosa, für die besonderen Briefe. Billige blaue Plastikkullis, ein Feuerzeug und eine Auswahl verschiedener Bonbons, die man einzeln kaufen kann wie die Zigaretten, die man bei kniffligen Formulierungen benötigen mag. Er lächelt mich an als ich seinen Korb genau in Augenschein nehme. Er weiß das ich meinen Brief schon abgegeben habe. Ich kaufe vier Bonbons für 100 Kip.
Nicht weit, im Schatten eines alten Baumes hat eine Frau ihre Sachen am Strassenrand aufgebaut. Ein Karton in dem einmal ein kleiner Kühlschrank nach Laos kam, made in Thailand, wurde zum Tisch und es fand sich sogar ein schönes Stück Stoff. Auf diesem Tisch steht einzog ein geblümter Unterteller auf dem ein Stapel Skatkarten liegt. Hier gibt es die Zukunft für ein paar Kip. Einladend steht ein kleiner Plastikschemel davor auf den ich nicht wagen würde mich zu setzten, er sieht aus als würde er unter mir zusammen brechen. Gut das ich meine Zukunft gerade nicht wissen möchte.
 

Vientiane, Mittwoch
den 30. Januar 2002

Kai Kham war gerade hier. Knattternd und eine Rußwolke hinter sich herziehend fuhr er mit dem betagten, rot gestrichenem Moped seiner Schwester in den Garten. Eine Ankündigung mit Fanfaren der laotischen Art. Kai Kham hat seit Freitag Urlaub und nun müssen die beiden Hunde seine Arbeit übernehmen. Bellende Nachtwächter.
Mein Moped und die Fahrräder stehen abends immer in der Küche und seid einem Monat hängt Pann auch die Wäsche im Garten ab, bevor sie nach Hause fährt. Das Trockenhaus im hinteren Garten hat ein Schloß bekommen. Pann hat sich furchtbar aufgeregt, sie glaubt das jemand Waschpulver klaut.
Kai Kham erzählt das Ohn wieder in einer Näherei angefangen hat zu arbeiten, nach zwei Tagen wurde sie wieder krank und auch der kleine Kevin hat eine Erkältung mit Fieber. Ohn bleibt wieder zu Hause.
Morgen hat Kai Kham sich das Fischrecht in einem Tümpel erkauft. Einige Kilo Fisch hofft er zu fangen. Ich bin zum Essen eingeladen.
Mein Nachbar hat ein kleines Feuer entfacht und blauer Rauch weht zu mir herüber. Ich hoffe er verbrennt nur Laub.
Fröhlich klingt Musik zu mir herüber und Kamhu von gegenüber sitzt mit einigen jungen Frauen unter ihrem Stelzenhaus. In der Näherei drei Minuten von hier ist Mittagspause. 
 

Vientiane, Freitag 
den 01. Febuar 2002 
  
Wenn ich hier in Laos ein Buch oder eine Zeitung in die Hand nehme, dann geschieht das meist mit bedacht. Die geschriebenen Worte bekommen ein anderes Gewicht und meine Aufmerksamkeit ist ganz bei dem was ich lese. Selbst das leise Geräusch das beim Umblättern entsteht hat einen besonderen Klang. Einige der Bücher sind mir nachgereist und ich bekam sie aus den Händen von Freunden die mich hier besucht haben und für die ich kundige und persönliche Führerin in diesem Land wurde. Ich sah es als Dank für die Bücher auf die ich mich schon freute, die langen Nächte mit ihnen zu teilen. Hier in Laos sind die Nächte das ganze Jahr über lang, der beginn der Dunkelheit variert nur um eine Stunde und so ist es um 18 oder 19 Uhr dunkel. In klaren Nächten ist der Himmel schwarz und die Sterne leuchten wie Diamanten auf einem schwarzen Tuch, der Mond ist besonders deutlich und beginnt seine Himmelwanderung hinter dem Haus, gerade über den riesenhaften Palmwedeln der alten Kokuspalme. 
Wenn es im Haus still wird und auch die letzten geschäftigen Laute verklungen sind, setze ich mich gerne hinaus auf die Terasse. Einen kleinen runden laotischen Tisch habe ich schon vorbereitet. Nur 15 Centimeter hoch und 30 cm im Durchmesser passt alles darauf, vor allem aber ein Buch. Nie hätte ich soviele meiner Bücher mehrmals gelesen wenn ich noch in Deutschland leben würde. Und nie hätte ich soviele Bücher auf Empfhelung gelesen, wie ich es jetzt kann. Ich lerne Lieblingsbücher kennen von Menschen die meine Freunde sind und nicht selten werden sie auch zu meinen eigenen Lieblingsbüchern. 
Wenn ich ein ganz besonders gutes Buch zu Ende gelesen habe, dann betrachte ich den sternenklaren Himmel, oder lausche dem klatschenden Regen in der Regenzeit noch lange und lasse das Buch in mir klingen und bin voll Danbarkeit für die Reise auf die mich die Autorin oder der Autor mitnahm. Das sind die ganz besonderen Bücher und ich wünschte es gäbe mehr davon, doch vielleicht gibt es solche Bücher nur wenig und genau deshalb sind sie so kostbar. 
Nur Briefe von Freunden sind mir genau so wichtig und ich bin froh das sie sich die Zeit nahmen und an mich zu denken und mir die kleinen Ereignisse aus ihrem Leben zu berichten, die auf der langen Reise zu mir, über tausende von Kilometern an Wichtigkeit gewonnen haben und mich umschweben als wäre ich nicht so weit entfernt von ihnen. 
Das sind reiche laotische Nächte in denen  ich dort  bin wo ich sein möchte. 
  
Vientiane, Montag 
den  4. Februar 2002 

Es ist schon ein paar Tage her, seit dem ich das letzte Mal den jungen Mann sah. Heute sehe ich ihn wieder, bettelnd. Vor einem Straßencafé liegt er auf dem Boden, seine stelzendünnen Beine liegen wie hingworfen neben ihm. Sein Rollstuhlfahrrad ist nirgends zu sehen. In seinem Gesicht ist Wut. Schwarz ist er geworden und seine Augen sind gerötet. Den Rest Brot hat er dem Touristen an dem Kopf geworfen und seltsam lautlos, wirft er seine Wut mit zurück. Der Tourist bleibt ganz gelassen, hebt das Stück Brot wieder auf und legt es neben seinen leer gegessen Teller Suppe. Kein Blick bleibt für den jungen Mann und die Wut wird ignoriet. 
Vor sechs Jahren als am Nam Puh (Wasserberg/Springbrunnen) noch Tische standen war der junge Mann, damals fast noch ein Kind jeden Abend dort. Er robbte auf dem Boden zu den Tischen und unterhielt sich. Neugierig, lernbegierig sprach er ein Englisch das mit jedem Tag besser wurde. Wir kannten uns bald und grüßten uns. Die wenigen Touristen die das sahen schauten irritiert und wir hatten unseren Spass daran. An einem Tag, es war so um die Mittagszeit traf ich ihn wieder, ich war gerade mit dem Moped unterwegs zu einer der vielen Suppenküchen. Ich lud ihn ein mit zu kommen und geschickt kletterte er auf mein Moped. Er genoß das Erstaunen das uns von überall begegnete und in der Suppenküche wurde er vor Stolz ein wenig größer und dann schaute er mir doch nur beim Essen zu und trank genüßlich seine Pepsi. 
Am Nam Puh trafen sich die Experten am Abend, die Entwicklungshelfer, die die auch mehr oder weniger laotisch sprechen konnten. So behalf man sich und sprach in beiden Sprachen. 
Nie hat er nach Geld gefragt, und ein Bier mit mir zu trinken hat er stetzt abgelehnt. Ein einziges Mal hatte er mich nach Geld gefragt. Ich glaube es war um die Weihnachtszeit und er wollte seine Familie in Pakse besuchen. Offen für jede Antwort fragte er mich ob ich ihm 20.000 Kip geben könnte. Ich gab sie ihm. 
Eines Abends, ich weiß nicht mehr genau wann, zeigte mir der junge Mann einen weißen Wagen, seinen Wagen. Sein Rollstuhlfahrrad. Meine Bewunderung machte ihm Freude. Einer der Experts hatte ihm dieses Fahrzeug zum Geschenk gemacht und sein Brett mit Rollen konnte Pause machen. 
Heute sieht er mich nicht, zornig auf alles, seine Behinderung, seine Leben auf der Straße und zornig auf diesen Touristen, der vieles Verkörpert was er sich wünscht. So alleine habe ich ihn noch nie gesehen! Seine Wut zwingt ihn ganz in sich hienein und da ist kein Platz für irgend etwas anderes. Er ist allein wie ich noch nie einen Menschen allein sein sah. Der Experte der ihm das Rollstuhlfahrrad geschenkt hat ist wieder in seinem Land. Seine Wut verstehe ich sehr gut, nur tun kann ich nichts. Nichts was hier helfen könnte. Nichts was seine Situation auf Dauer verbessern könnte. Das tut weh und ich gehe weg. 
Morgen vielleicht wenigstens ein Gespräch, ein Lächeln, ein bei ihm stehen und die Touristen die noch erstaunter schauen, denn nicht nur seine Haut ist schwärzer geworden, auch seine Kleidung und ich befürchte auch sein Herz. 
Der Weg nach unten, hier ist er verkörpert und die verkrüppelten, nutzlosen Beine haben mich noch nie so traurig gemacht. Noch nie waren sie so in den Vordergrund gerückt. Am Nam Puh, wenn er bei mir saß und wir redeten, stolpernd aber immer einander sehend, waren die Beine nicht so wichtig. Es waren einfach seine Beine. 
  

Vientiane, Freitag 
den  8. Februar 2002 

Gewöhnlich kommt Kamla an allen Wochentagen um 16 Uhr, zum zweiten Mal am Tag zur Arbeit. Am frühen Morgen um 6 Uhr löst Kamla, Seng oder dessen Bruder Kai Kham ab. Wenn die Sonne aufgegangen ist und im Dorf schon eine ganze Weile das Tagwerk im Gange ist und die Uhr 8 Uhr zeigt, kommt Pann und Kamla fährt auf seinem Fahrrad langsam nach Hause, in die Hütte die hinter dem Haus einer alten Laotin steht. Vielleicht begrüßt ihn dort einer der Hunde aus Leslies letztem Wurf. Ich hoffe es und frage nicht nach. So denke ich mir den Hund überlebend. 
Pünktlich um 16 Uhr ist Kamla dann wieder da und schiebt, humpelnd sein Fahrrad durch das Tor, dann bleibt er bis 19 Uhr 30. Er arbeitet im Garten, meist kehrt er die Blätter der Bäume zusammen und anschließend wässert er den Garten. An sonnigen Tagen hat er Freude daran wie die Wasserperlen das Sonnenlicht einfangen und glitzern, dann leuchtet eine einfache Freude in seinem Gesicht. 
So ist es an fünf Tagen in derWoche. 
Wie auffällig wenn Kamla, so wie Heute, einmal früher sein Fahrrad durch das Tor schiebt. Eben habe ich erst auf die Uhr geschaut und tue es nun wieder, obwohl ich längst sicher weiß das es nicht 16 Uhr ist. Natürlich kann meine Uhr nur bestätigen. Kamla lacht. 
Fröhlich darüber das er mich erstaunt hat verschwindet er hinter dem Haus. Eine Weile geschieht gar nichts. Dann kommt er zu mir. Ein Bund großer grüner Blätter in der Hand. Medizin. Medizin für seinen Kopf. 
Nun also auch Heilpflanzen in meinem Garten. Wieder einmal denke ich wieviel ich lerne, auch von Kamla, der nicht einhundert Prozent ist, wie ein laotischer Freund es wohlwollend nennt. 
Zwei Stunden später kommt Kaml zu richtigen Zeit und die Welt ist wieder im Gleichgewicht. 
Seinem Kopf geht es schon viel besser und es ist wieder einer der vielen sonnigen Tage. 
  

Vientiane, Dienstag 
den 12. Februar 2002 

Im Schatten des riesigen Gummibaumes, unter den hängenden Luftwurzeln, die perfekt geschnitten sind, wie Spaghettihaare, oder Tentakel aus einem Alptraum. Der Tuc-Tuc Fahrer, der hier seinen Schatten vor der Mittagsstunde  gefunden hat, träumt offensichtlich jedoch keinen Alptraum. Bilder aus dem Leben. 
Die Überdachung ist abgeschraubt, so fanden auf den Sitzbänken die gewöhnlich den Fahrgästen vorbehalten sind, Matratzen platz. Um den Platz ganz auszunutzen sind die Matratzen hochkannt gestellt und Vier passen nun auf das Tuc-Tuc. Ordentlich festgeschnallt geben sie dennoch ein gewagtes Abbild. Um dem ganzen eine menschliche Krone aufzusetzen und ein Widerspruch zu dem gefährlichen Eindruck, liegt oben auf, ganz enspannt der Fahrer. Ein Bein angewinkelt, das Andere ausgestreckt, zeigt auf einem Punkt im Himmel, vom ausgestreckten Fuß eine Gerade bis in die Unendlichkeit und so will mir dieses Bild auch scheinen, als wache er nie auf aus diesem süßen Schlaf, hoch oben auf den Kanten der Matratzen. Nichts stört hier die Ruhe auch ein Kunde der sich erdreisten würde diese Harmonie zu stören. Einz geworden, von den Gummireifen bis zu den Luftwurzeln des Gummibaumes, die wie beschwert und ohne Bewegung herabhängen. 
  

Vientiane, Freitag 
den 15. Febraur 2002 

Noch hängt der Geruch der Nudelsuppe in der Luft dieser Postnebenstelle. Es ist 13 Uhr und 20 Minuten, Ich bin eingetreten, nicht ohne Laut und habe eben erst das Bild entdeckt, dass ich nun wohlwollend und mit einem Schmunzeln betrachte. Ein paar Meter vor mir, auf der Bank liegt die Laotin, die ich inzwischen recht gut kenne, auf einer Bank. Die Augen geschlossen und weit weg von mir, von hier, von Stempeln. 
Ihr Kopf ruht auf einem flachen Stapel Briefe, gerade so hoch, dass es perfekt ist. 
Ich will dieses Bild noch betrachten. Ich habe Zeit. Die Postkarten die ich ihr geben möchte, gehen erst heute abend zur Hauptpost und von dort zum Flughafen. Vier Stunden noch bis dahin. 
Mit schweren Schuhen kommt ein kleiner Mann durch die weit geöffnete Flügeltür hinter mir. Keine Regung auf der Bank, ich schmunzel noch mehr, ich hatte gewußt das dieses laute Gepolter keinen Eindruck hinter lassen würde. 
"Ühei", große Schwester, ruft der Mann. Kundschaft; hängt sich aufdringlich an den letzten verhallenden Laut. 
Meine große Schwester wird wach und lächelt mich an. Schnell ist sie auf den Beinen und verkauft mir die vielen speziellen Briefmarken die ich haben möchte. Fünf zu 500 Kip, den Rest von den Briefmarken zu 200 Kip, zehn zu 2.700 Kip und so geht es eine Weile weiter. Dann klingelt das Telefon, gleich vor uns, bevor sie abhebt entschuldigt sie sich noch schnell. Soviel Arbeit und sie ist Heute ganz allein. 
Ich lächel verständnisvoll und warte nur ganz kurz. Dann wird alles in den Computer, einem kleinen abgegriffenem Taschenrechner, eingetippt. Fünf mal 500, das Ergebnis auf Packpapier geschrieben. Vier mal 200, das Ergebnis darunter. 2.700 mal zehn. 
Am Ende steht dort eine Rechenaufgabe die wieder in den Computer getippt wird. Gewissenhaft und ganz konzentriert. 
2.500 plus 800, plus 27.000. 
69.400 Kip bezahle ich am Ende für dieses Bild einer ausruhenden Postbeamtin, das ich die ganze Zeit vor mir sah. 
  

Vientiane, Dienstag 
den 19. Februar 2002 

Ich habe den jungen Mann wieder gesehen. (4.Februar) Auch er hat mich gesehen. Sein Lächeln war so ungübt, nicht wie abgentuzt, nicht mehr vertraut. Aus der Übung gekommen. Noch ist der bittere Zug um den Mund nicht eingegraben in dieses junge Gesicht, das müde ist. Still und der Ausdruck verschwunden, der Ausdruck der es lebend machte. Die Fremden die sehen ihn nun so, sie kennen kein anderes Bild. Die Fremden sehen ihn so wie er jetzt ist. Es schmerzt mich, es schmerzt ihn, vielleicht. Wir reden nicht mehr, ich weiß nicht mehr was er sich denkt. Auch ich bin eilig, gehe weiter, nur ein Lächeln hängt fast schon wie eine Täuschung in der Luft. Schnell ist er fort, auf seinem Fahrradrollstuhl, den er mit einem Schwingel pumpt, nach vorne, nach vorne, doch da ist kein Ziel. Nur vorübergehende Ziele, nichts Bleibendes. Er ist nicht wie Buddha. Wer ist schon wie Buddha? 
Sein Fahrradrollstuhl ist rot gestrichen, Zeit gewordene Tropfen, verewigt der Augenblick. 
Mein Lächeln würde ich ihm gerne einpacken, für den Abend, für die Nacht, doch wir sind weiter voneinander entfernt als wir es jeh waren. Und er wird gehen und fremd sein, wenn wir uns wieder sehen. 
Ich bin Teil aus anderen Tagen, aus vergangenen Tagen, an die er nicht mehr denken darf. Kann ein Blick nur einmal das sagen? Sagen das ich verstehe. 
  

Vientiane, Donnerstag 
den 21. Februar 2002 

An sechs Tagen in der Woche arbeitet eine Weberin bei der einzigen Großweberei in Laos. Lao Cotton Factory, Vientiane. 
Lochkarten-Webstühle stehen dort und ein oder zwei traditionelle Holzwebstühle, neben denen die großen industrie Webmaschinen sich ausnehmen wie Ungeheur. Sperrig und laut. 
Hier arbeiten überwiegend Frauen. 48 Stunden an 6 Tagen in der Woche. 250.000 Kip werden monatlich von den etwa 120 Angestellten verdient, das enspricht etwa 30 Euro. Gewebt wird hier ausschließlich für den ausländischen Markt und für die einheimischen Filialen die Überweigend von Touristen besucht werden. Die Stoffe finden sich nicht nur vernäht zu Bekleidung wieder, sondern auch auf Ledertaschen, Schlüsselanhängern, Briefpapier-Mappen, Rucksäcken und Einkaufstaschen. Die Palette der gefertigten Produkte wächst monatlich weiter an. 
Eine Frau die neben ihrer Familienarbeit noch täglich, zu Hause an ihrem Webstuhl, stizt braucht etwa vier bis sieben Tage um einen Szinn fertig zu weben. Szinn ist der Wickelrock der knöchellang, von den Laotinnen getragen wird. Selbst in der einfachsten Form sieht er sehr elegant aus und betont die Schlankheit der Laotinnen. Schön ist es, sie im Szinn durch die Straßen gehen zu sehen. 
Für einen Szinn bekommt die Weberin etwa 20.000 - 50.000 Kip je nach Aufwendigkeit des Musters. 
Von den  Marktfrauen des Morgen-Marktes, dem Dtalat Tzau, wird der einfache Szinn der Schulmädchen für 30.000 Kip verkauft. Der Druck der Gemeinschaft verbietet es für diese Schulszinns mehr zu bezahlen. 
Ansonsten in ein Szinn für unter 70.000 Kip nicht zu bekommen. 
Das durschnittliche Jahreseinkommen, pro Kopf gerechnet, liegt bei 300 USD. 
Dieses Jahreseinkommen enspricht etwa 345 Euro. 
  

Vientiane, Sonntag 
den 24. Februar 2002 

Heute wird gewählt. Seid Wochen lädt die Regierung die Bevölkerung zur Wahl ein. 
In der Stadt ist es merkwürdig still. Am Abend treffen sich ein paar Freunde bei meinen Nachbarn und trinken Schnaps. 
  

Vientiane, Montag 
den 25. Februar 2002 

Vientiane ist ein riesige Patchwork Baustelle. In der ganzen Stadt wird neu gebaut, restauriert, saniert. Im Bauch der Stadt befindet sich eine gigantische Betonmischmaschine. In der Tat kommt der meiste Zement, wenn er nicht aus Thailand kommt, aus Vang Viang, 170 Kilometer von Vientiane entfernt. Die Bauarbeiten sind am unangenehmsten für die Menschen dort wo die Straße asphaltiert wird und das ist auch die größte zusammenhängende Baustelle in Vientiane. Ausgerechnet um das große Tor, Pathu Njei, oder Annu Savari, ist der alte Straßenbelag aufgerissen und Sand und Staub hängen als ständige Dunstglocke, den ganzen Tag über der Straße. Jeder kehrt mit seinem Besen so gut er kann, trotz der Vergeblichkeit sind die Menschen unermüdlich. Wenn die große Kehrmaschine durch die 4 Kilometer lange Straße fährt, vom Präsidentenpalast bis zum großen Tor, legt auch der härtnäckigste Mensch seinen Besen zur Seite. Die Mopedfahre halten sich die Hand vor den Mund, oder tragen gleich einen Atemschutz aus Stoff der liks und rechts an die Ohren gehängt wird. Genau so selbstverständlcih sieht man Puddelmützen die über das Gesicht gezogen werden und durch die Augenlöscher sieht der Mopedfahrer hoffentlich immer genug. Die Vermumten fahren oft noch weiter hinaus nach Don Dog, weitere 12 Kilometer Staub zwischen den Zähnen, trotz Mundschutz und Pudelmütze. 
Es staubt, es hämmert, es sägt, es scheppert und klappert wenn der Kies in den kleinen Betonmischern rund und rund gedreht wird. Elektrisch oder von Hand, alles ist zu sehen. Ein riesiger Bienenschwarm, in löchrigen Hosen aus denen dünne schwarze Beine herausschauen und unter dem T-shirt kräftige Muskeln den Stoff in Wellen bewegen. 
Beim Zupacken treten die Sehnen an den Handgelenk deutlich hervor und die Blutbahnen pumpen sich auf und sind als Wülste unter der Haut deutlich zu sehen. 
Manche jungen Gesichter sehen alt aus. Bretterhütten stehen hinter dem entstehenden Prachtbau. Schief und nahe dem Zusammenfall. Wer hier arbeitet hat sich oft für die Dauer des Baues von seiner Familie verabschiedet. Auf den kleinen Wäscheleinen hängen Fetzen zum Trocknen, schlaff und regungslos, es geht kein Wind. 
Die Pagoden der Stadt erhalten neue Gebäude. Viele der hundertjährigen Pagoden, Wat in laotischer Sprache, werden neu mit mehrfarbigen Ziegeln gedeckt. Die Trommel und Glockentürme sehen aus wie merhstöckige Konditor-Kunstwerke. Liebevolle Zuckerbäcker waren hier am Werk. Bis auf die Mauern trugen sie ihre Kunst. 
Nur die Schulen bleiben wie sie sind, oft baufällig. Drei bis vier SchülerInnen teilen sich eine Schulbank die eigentlich für zwei Kinder schon zu klein ist. 
Doch man schaut einer Stadt wie Vientiane nicht unter den Rock.
 

Unterwegs, Samstag 
den 2. März 2002 
Wenn Udone Thani in Thailand nicht das Ziel ist, dann sind die 70 Kilometer von zu Hause in Vientiane schnell gefahren, denn das Ziel liegt einige hundert Kilometer weiter. Bangkok, wieder hat mich die Strasse wieder und sie zieht mich fort. Wichtig ist das Fahrzeug vor mir, hinter mir und neben mir, dauernder Wechsel. Landschaft gleich bleibend, 300 Kilometer lang, dann Wald, Berge, andere Luft, Steinenstaub geschwängert. Marmorplatten, Sandsteinlöwen, alles am Strassenrand, sofort zu kaufen. Weiter 100 Kilometer in der Stunde, manchmal 120 Kilometer in der Stunde. Von Laos aus eine Autobahn, von Deutschland aus, ja was? Eine zweispurige Schnellstrasse vielleicht, keine Autobahn, nein wirklich keine Autobahn. 
Freundliche Polizisten, sie fahren 120 Stundenkilometer, Limit 80, wir wollten das nur mal sagen. Eine gute Fahrt noch. 
Ich kenne diese Dialoge schon. Nach mehreren hundert Kilometer wird alles irgendwie unwirklich. Erst im Hotelzimmer schmunzel ich, schon unter der Dusche. 
Das war wirklich nett, etwas Besonderes. Ob er mich schon kennt? Ich habe mir wieder das Gesicht nicht gemerkt. 
Die Stelle, ja die ist auch diesmal beinahe wieder die Selbe gewesen. 
Polizisten in Thailand, die schlimmen Geschichten kenne ich nur von anderen, ich habe erst eine erlebt, in Bangkok. 
  

Bangkok, Montag 
den 4. März 2002 

Ich kann mich kaum bewegen. Der Rücken wie auf einen Stock gespannt. 
Nichts sehe ich von Bangkok, ausser dieses Hotelzimmer, auf dem Krankenhausgelände. 
Ich denke viel nach über die Poesie die im Hotelzimmer schwebt, auch der Riß der entsteht, wenn ich das Zimmer verlasse und es mein Leid nicht erinnert. Ein Gast der abreist. 
Trotz der Langeweile und des nicht Könnens, eine willkommene Auszeit, wenn auch eine teure. 
  

Vientiane, Dienstag 
den 5. März 2002 

Müde, und in der Mitte durch gebrochen schleppe ich mich aus dem Auto. 
Während ich beständig auf Vientiane zurollte, hat Leslie in ihrer Höhle unter der Betonplatte fünf schwarze Welpen geboren. So namenlos die Dörfer und Städte am Schnellstrassenrand, alle das gleiche Gesicht, mache ich mir gar nicht erst die Mühe zu überlegen wo ich gegen 16 Uhr war. Zu der Zeit als es los ging, als das erste schwarze Bündelchen, seinen ersten Atemzug tat. 
Kai Kham sagt das Leslie leise gewinselt hat, Kamla hat es ihm vor gemacht. 
Kai Kham macht es mir vor und dieses imitierte Winseln nehme ich mit ins Bett. 
Morgen, morgen schaue ich mir vielleicht die Winzlinge an. 
Willkommen in der Welt,willkommen  in meinem Garten. 
  

Vientiane, Montag 
den 11. März 2002 

Montag ist in der deutschen Botschaft Kinotag. Der Pfördner fährt das schwere Eistor für mich und mein Moped auf. Neugierig schauen die Nachbarn herüber, wer da kommt und für wen sich das Tor öffnet. In der Halle unter der Leinwand eine Liege, fast so lang wie die Leinwand selbst, die kunstvoll mit einem Holzrahmen eingefasst ist. Auf dem schräggestellten Kopfteil, drei Bahnen Einwegtücher, natürlich wegen dem leichteren Transport. Der Amtsarzt ist wieder da, nur für Botschaftsangehörige. 
Zweckmässig die Liege. Ich sehe den Arzt auf einen Bahnhof eilen, der Dampf des abfahrenden Zuges umweht ihn und ich erkenne in dem länglichen Koffer, die faltbare Liege wieder. Kinophantasienen, in schwarz weiß. 
Auf dem Tisch ein Stetoskop, eine aufgeschnittene Reinigerflasche mit drei kleinen Ampullen. Wer ist wo gegen geimpft worden? Ich könnte nach sehen, aber ich will es wirklich nicht wissen. Deutsche Gründlichkeit gähnt mich an. Und ich ahne das es so spannend nicht sein kann als Amtsarzt Botschaftsangehörige zu untersuchen, der Reitz des Reisens ist anderswo. 
Alles vergesse ich als Romy Schneider auf der hellen Leinwand auftaucht, und der Rest der Mehrzweckhalle (auch so ein Wort), in der Gnade der Dunkelheit verschwunden ist. 
  

Vientiane, Mittwoch 
den 13. März 2002 

Mit der Hitze die mich beschwert und schon am frühen Nachmittag eine bleischwere Müdigkeit in meinen Körper bringt und das Denken so erschwert, dass ich bald schon aufgebe, mich ergebe in diesen halbwachen Schlaf der dem Tod so verwandt ist. Mit dieser Hitze sind auch die Zikaden wieder gekommen und ihr plötzlich anschwellendes Zirpen verdichtet sich in meinem Kopf zu dem einzigen Wort, das mein Kopf denken kann: Heiß! 
  

Vientiane, Freitag 
den 15. März 2002 

Pann fährt durch das Tor hinaus auf die Straße. Sie trägt einen neuen laotischen Rock und eine weiße Bluse, richtig elegant ist sie Heute. Ihre langen schwarzen Haare hat sie mit einer Spange aus Plastik im Nacken zusammen gefasst. Mit ihrem Moped war sie am Tag zuvor in einer Pagode, mit weißen Basifäden ist links und rechts am Lenker eine kleine Kerze und einige zartgelbe Blüten festgebunden. Im Pali-Singsang hat der Mönch ein Gebet gesprochen. 
Jetzt kann Pann wieder sicher und ohne Schaden die 12 Kilometer von ihrem Dorf zur Arbeit kommen. Ich bestaune die Kerzen die wundersamerweise nicht geschmolzen sind. Sie hat es sich lange überlegt, aber jetzt ist sie ganz sicher, besonders jetzt wo sie mit ihrem Moped viel freier ist, sie wird nicht wieder heiraten. Nein! Wenn sie wieder heiratet dann wird ihr Herz wieder schwer und sie kann auch nicht mehr überall hin fahren, so wie sie es jetzt kann. Ohne Mann wird sie viel mehr Spass haben. Deshalb wohnt sie auch wieder im Haus ihrer Mutter. Der Mann der sie gerne geheiratet hätte ist eine sehr gute Partie, immerhin arbeitet er als Nachtwächter vor der Residenz des amerikanischen Botschafters. Jetzt wo sie ihn nicht heiraten wil, kann sie schlecht bei ihm wohnen bleiben. 
Wenn ich wieder eine Party gebe und sie für meine Gäste kocht, dann muß sie aber im Arbeitszimmer schlafen, denn Nachts kann sie unmöglich in ihr Dorf fahren. Ob ich das denn verstehe. Ja. Selbstverständlich, das verstehe ich. Sie ist noch nicht fertig mit ihrer Rede, ich spüre es. Das ich ihr dann aber früh genug Bescheid sage. Nicht wie sonst, dann kann sie nicht kommen! Sie muß jetzt ihre Mutter fragen ob sie über Nacht weg bleiben darf! Ich bin froh das ihre Mutter mich kennt, das dürfte kein Problem sein. Vor mir verjüngt sich Pann, die jetzt wieder ein Mädchen ist, dass seine Mutter fragen muss. Die 37 Jahre sind nicht mehr zu sehen. 
Nach diesem langen Gespräch fährt sie nun also zum Markt. Fleisch und Gemüse kaufen. 
Schmunzelnd aber auch beeindruckt stehe ich in der prallen Mittagssonne und merke es nicht. 
  

Vientiane, Sonntag 
den 17. März 2002 

Die beiden Fahrradreifen sind  durch einer Eisenstange miteinander verbunden, auf dieser selbstgebauten Achse wackelt ein länglicher Holzkasten, der aus dünnen Latten roh zusammen gezimmert ist. Eigentlich sind die Nägel viel zu lang gewesen, aber ein paar gezielte Hammerschläge und jeder Nagel krümmt sich und wird ins Holz gehauen, bis er fast verschwindet. Eine Frau schiebt diesen Karren am Straßenrand entlang, hinter ihr laufen zwei Kinder, das jüngste hat es auf dem Karren richtig lustig und schaut mit großen schwarzen Augen auf die Mopeds die links und rechts vorbeifahren. In der kleinen braunen Hand hält das Kind einen Bund grünes Blattgemüse. Zielstrebig schiebt die Frau den Karren weiter, sie schaut nicht nach den beiden großen Kindern, sie weiß einfach das sie ihr folgen. Am Rand des großen Platzes ist das Ziel erreicht. Der Kleine will aus dem Wagen klettern, doch seine beiden Geschwister hinder ihn daran. Die Waage wird auf eine kleine Holzbank gestellt, die mit den Beinen nach oben auf dem Wagen lag. Eine Matte aus Reisstroh vor den Karren gelegt und die Frau entblöst ihre Brust und stillt den Kleinen, der jetzt ganz still ist und trinkt. 
Selbstbewußt verkauft das etwa 5 jährige Mädchen an einen Kunden einen Bund Blattgemüse, die Mutter schaut nicht auf, als sie das Geld in ihrer Bluse verschwinden läßt. Sie und ihre Kinder sind ein eingespieltes Team, jeder kennt seinen Platz. Wenn der Kleine gestillt ist werden die Großen mit ihm spielen und die Mutter wird das Gemüse verkaufen. Ist der Karren leer dürfen vielleicht die Kinder zusammen darin sitzen und die Mutter schiebt sie nach Hause. Vorher wird sie am Markt anhalten und etwas Fleisch für das Abendessen kaufen und die Kinder werden sie darum bitten ein paar Süßigkeiten zu kaufen, so wie alle Kinder auf der Welt.
 

Vientiane, Freitag 
den 5. April 2002 
Rot steht die Sonne am Himmel, nur noch eine Stunde dann ist sie untergegangen, dann beginnt die Zeit, in der es draußen kühler ist als im Haus. Alle Aktivitäten werden dann nach draußen verlegt. An der Decke der Terrasse dreht sich ein Ventilator, nicht träge wie in Casablanca. Überhaupt weiß ich seit Laos und dieser Hitze am Ende der Trockenzeit, dass sie den Ventilator nur wegen Ingrids und Humphrys Frisur auf niedrigste Stufe gestellt haben, denn bei dieser Hitze nützt ein kleiner Windhauch gar nichts. An manchen Tagen habe ich die Klimaanlage an, trotz dem Ausländer-Strompreis den ich zahlen muß. 
Dieses Jahr fällt es mir besonders schwer mich der Hitze zu fügen und die Langsamkeit neu zu entdecken. 

Im Newsletter    Salon im Net   ist mir ein Fehler unterlaufen. Der Link zu Kiras Literatursturz lautet: 
http://people.freenet.de/literatursturz 
  

Vientiane, Samstag 
den 6. April 2002 
Hochzeiten. Einige Todesfälle. Geburten. Besonders im Gedächtnis wird mir die Geburt bleiben, die ich auf meiner Terrasse sitzend, in der Nacht, mit den Ohren begleitet habe. Neujahrsfeiern. Phi Mai, das laotische neue Jahr, meine siebente Phi Mai Feier wird es in diesem Jahr. Noch sieben Tage. 
Im Dorf gibt es schon die ersten Vorfeiern. Die Straßen werden langsam wieder unsicher, die Polizei schaut weg, wenn Schlangenlinien gefahren werden. In der Zeit vor Phi Mai häufen sich auch die Einbrüche. Ich wage es deshalb nicht das Haus heute abend allein zu lassen, nur von den beiden Hunden bewacht, vor denen die meisten Laoten Angst haben, einfach weil sie schwarz sind und Blacky alles Fremde laut anbellt, hartnäckig, auch wenn es sich um Besucher handelt. Kai Kham, der Nachtwächter, hat heute seinen freien Tag. 
Beim Frühstück habe ich spontan beschlossen, am Abend die 80 Kilometer bis Udon Thani, in Thailand, zu fahren und mir eine Nacht im Hotel zu gönnen. Es gibt eine Einkaufsliste, die es abzuhaken gilt, nicht im Eiltempo, dieses Wochenende nicht. 
Ich habe nach Kamla geschickt, der inzwischen ab und an die Arbeit von Kai Kham mitmacht und er wird heute abend um 18 Uhr kommen und vor dem Haus in der Garage übernachten, dort steht das Nachtwächter Bett. Anwesenheit reicht als Abschreckung aus und das wir hoffentlich auch so bleiben. 
Ich werde ihm zeigen wo das gekochte Futter für die Hunde steht. Meinen Koffer in den Kofferraum werfen und dann die 25 Kilometer bis zur Freundschaftsbrücke fahren, Grenzformalitäten, Brückengebühr und dann über den Mekong, Thailand. 
Noch einmal Grenzformaltitäten. In meinem Reisepass liegen die ausgefüllten Formulare und es geht immer sehr schnell, auch der Export und Import des Autos ist durch die vielen Wiederholungen reine Routine. Schon ist dieses Rital Gewohnheit und manchmal vergesse ich, den Grund weshalb all dies nötig ist, dann muss ich mir erst wieder sagen weshalb ich meinen Pass durch den Schlitz im Fenster schiebe. 
  

Vientiane, Freitag 
den 12. April 2002 
Jens und ich haben heute nachmittag auf der Terrasse gesessen, mein Laptopp zwischen uns und er hat mich ein wenig mehr in die tiefen Geheimnisse der Html-Sprache eingewiesen. Jetzt habe ich alleine weiter gemacht und schon ist einiges verändert und mir ist nicht ganz klar weshalb. Wieder einmal bin ich also an einem Anfang angelangt. Von den Zirkaden begleitet hinke ich humpelnd und hin und wieder ohne Verstehen, durch die Html-Zeilen, wieviel es noch zu entschlüsseln gilt. 
Um mich herum erste Neujahrsfeiern, heute die Kinder die schon mit ihren Wasserpistolen, Schüsseln und Spritzrohren den Strassenrand bevölkern und vorbeifahrende Menschen auf Mopeds und Fahrrädern mit einem Schwall Wasser ins neue Jahr befördern. 
Ich fliehe Morgen nach Bangkok. 
  

Vientiane, Sonntag 
den 21. April 2002 

Wir in Laos haben einen Wunsch gemeinsam, wir warten alle auf den Regen, der die Tage endlich herunterkühlt auf ein erträgliches Mass. Oder auch, wie Kaikham um in der Nacht, mit einer Stirnlampe in die Reisfelder zu gehen und Frösche zu fangen. Nach einem Regen kommen sie alle hervor und manche beginnen ihren Liebesgesang, der über den neu gepflanzten Reis weht. Er fängt nur soviele, wie er braucht für eine Mahlzeit. Manchmal glaube ich schon in seiner Stimme liegt Klagen, wenn er erzählt das er in der Nacht zwei Stunden auf war.. Dann beschreibt er mir wie er gelauert hat, ganz lange, bewegungslos, die Bambusstange mit dem Nagel am Ende schon ausgeholt, schnell muss man sein, bevor die Frösche mit einem Sprung schon wieder aus dem kleinen Lichtkreis hinaus springen, den seine Stirnlampe wirft. Sein Buddha beschützt ihn vor Geistern aller Art, selbst vor Schlangen, die einen erwachsenen Büffel töten können. So sind seine Sinne nicht durch Furcht zerrissen. Die Stunden vor dem Morgengrauen gehören ihm ganz allein. Manchmal begleitet ihn auch sein Bruder, der sich alleine nicht so weit in die Felder hinaus wagt und immer in der Nähe der Familienhäuser bleibt, sein Buddha ist nicht so stark wie der seines großen Bruders. Ich stelle mir die Beiden manchmal vor, wenn ich in der Nacht wach werde, vor Hitze geplagt. Die beiden Kreise hellen Lichtes, die ich von der drei Kilometer entfernten Straße, lange reglos stehen sehen könnte, wie ich schon so oft Lichter durch die Reisfelder haben streichen sehen. 
Mir ist diese Art des Jagens für den Hausgebrauch die Liebste, auf dem Markt krabbeln die Frösche stundenlang, mit gebrochenen Schenkeln in schwarzen Schüsseln, ein Netz verhindert das Heraushüpfen, dass manchen auch mit gebrochenen Schenkeln noch gelingt.
 

Vientiane, Mittwoch 
den 8. Mai 2002 
Mitten am Tag war es dunkel und ein Sturm kam auf, selbst die Kokospalmen wurden hin und her geworfen mit ihren schweren, ausladenden  Kronen. Sie schwankten im Wind wie große mächtige Federbüsche. Weit in der Ferne grollte der Donner. Es regnete morsche Äste aus den Mangobäumen. Die Hunde flüchteten aus dem Garten und suchten Schutz im Haus. Der Wind riss im Haus alle Türen auf, die nach draußen führen. Im Garten war eine hektische Bewegung, die Vögel schwiegen. Die Zikaden sind schon vor Tagen verstummt. Einzig das Rauschen unzähliger Blätter war zu hören. Doch der Regen blieb aus. 
Eine Vorahnung wurde herauf beschworen, ein Versprechen auf künftigen Regen. Als habe die Regenzeit mit diesem Sturm sich nur ankündigen wollen, ihren beginn in den Falten der Zeit noch verborgen. Wir warten weiter, noch ein paar Tage, eine Woche oder Zwei. Ich mache mich bereit und meine Gedanken holen aus der Erinnerung das mächtige Rauschen der schweren Tropfen vom letzten Jahr. Lange kann es nicht mehr dauern. Dort wo es keine Bewässerungsgräben gibt, können die Reisbauern nur einmal im Jahr ihren Reis aussähen, die jungen Halme aus der Erde holen und sie einzeln wieder in den wasserschweren Boden setzten, tief gebeugt, mit spitzen Hüten auf dem Kopf und langärmeligen Hemden, Schutz vor der Sonne, die auch in der Regenzeit vom Himmel brennt. Den roten Schlamm bis zu den Knien. Ist diese Arbeit getan heißt es dem Reis beim Wachsen zuschauen und die kleinen Fische die sich aus den überlaufenden Flüssen in die Reisfelder verirrt haben zu fangen. Oft sind sie nicht viel größer als ein Finger, ihre Schwimmbewegungen verraten sie. 
Die großen Zwiebeln die zu spät gepflanzt wurden, verschimmeln auf dem Feld noch bevor sie ausgereift sind. Tomaten und anderes Gemüse kommen mit dem großen Regen besser zurecht. Wie überall auf der Welt, ist auch hier in Laos die Aussaat eine wichtige Zeit, das Timing muss stimmen und die Farmer leben von ihren Erfahrungen, die seit Generationen weiter gegeben wurden. 
Kai Kham sind im April 24 Hühnerküken an Hitze gestorben. Es war ein Tag des großen Sterbens. Die Entenküken haben diese große Hitze besser vertragen und wiegen schon mehr als ein Kilo. 
  

Vientiane, Donnerstag 
den 9. Mai 2002 

Ganz versteckt und dennoch im Herzen von Vientiane befindet sich eine kleine Galerie. Die Tür war abgeschlossen und ich war schon wieder im gehen, als ich hörte wie hinter mir ein Schlüssel gedreht wurde. Schon wurde die Deckenbeleuchtung eingeschaltet und was ich besonders dankbar zur Kenntnis nahm, auch die Klimaanlage. Nicht viele Bilder hängen an der Wand. Aber hier sind sie vereint, laotische und vietnamesische Künstler. Einige erkenne ich bereits an ihren Bildern, am Stil wieder. Ein Bild hat mir besonders gut gefallen und ich stand lange davor. Ich fotografierte es mit der Kraft meines Gedächtnisses, dass schwach ist und so formte sich die Frage die ich dann doch nicht gestellt habe. Aber beim nächsten Besuch ganz bestimmt stellen werde, ob ich das Bild fotografieren darf. May Chandavong ist der Name des Künstlers und ich erinnere mich, wie ich schon einmal, vor langer Zeit beinahe atemlos vor einem anderen seiner Bilder stand. 1943 wurde er in Laos geboren und was ich besonders beeindruckend fand, er durfte vor der Übernahme der Pathet Lao, das Land verlassen um seine künstlerische Ausbildung voran zu treiben. Auch nach der Revolution hatte er immer wieder die Möglichkeit ins Ausland zu reisen. 1959 Saigon, Süd Vietnam, von wo er erst 1966 nach Laos zurückkehrte. 1970 reiste er nach Frankreich. 1972 dann Hon Kong. 1976 war er sogar in Ost Berlin. 1980, im Alter von 37 Jahren lernte er an der laotischen Universität in Don Dog die englische Sprache. Reiste jedoch zunächst im Sommer 1986 nach Hanoi. 1992 dann in die USA, nach Washington, von wo er 1994 nach Philadelphia reiste. 
Seit Oktober 1998 lebt er wieder in Vientiane. 
1.400 Dollar trennen mich schmerzlich von diesem Bild das ich heute so lange betrachtet habe. Neben diesen Jahreszahlen die ich von einer Sammlung loser Zettel, in der Galerie abgeschrieben habe, erzählt das Bild mir vom anderen Leben, das nicht in diesen Zahlen zu fassen ist. 
Ganz Versunken in meinen Gedanken verabschiede ich mich von dem Galeristen und noch bevor die Tür sich ganz schliesst höre ich, wie die Klimaanlage wieder aus geht. Ich betrete die Straße und sehe noch eine Weile mit fremden Augen. 
  

Vientiane, Sonntag 
den 12. Mai 2002 

Um mich herum donnert es und ich überlege während ich schreibe, ob ich nicht besser mein Laptop vom Stromnetz nehme, denn es gibt auch schon wieder die vertrauten Stromschwankungen, die die Regenzeit auch mit sich bringt. Jetzt hat sie endlich begonnen, ich habe so lange schon darauf gewartet. Die Hitze der letzten Wochen war beinahe unerträglich und ich habe mich oft am Tage, ins Schlafzimmer zurückgezogen und die Klimaanlage eingeschaltet und den unglaublichen Luxus eines kühlen Zimmers genossen. Die Stromrechnung konnte sich wirklich sehen lassen. Der Ausländertarif ist sehr viel teurer als der Tarif für Laoten, so bezahlte ich immer schon etwas mehr für Strom, selbst mehr als ich in Deutschland bezahlte und etwas zuviel mehr, als eine laotische Familie bezahlt. 
Hat Kai Kham für seine Familie 30.000 Kip im Monat bezahlt, so bezahlte ich um die 450.000 Kip. 
Der Unterschied ist zu groß und ich habe mich in all den Jahren nie, auch nicht im entferntesten, mit meiner Stromrechnung anfreunden können. Wir werden uns auch in Zukunft fremd und unvertraut bleiben. 
Nun schreibe ich weiter auf Batterie, es rauscht, es blitzt und der Donner dröhnt ab und an. Dieses Rauschen, wie gerne würde ich es hier hörbar machen. 
Dicke Tropfen fallen in dichten Vorhängen vom Himmel, schon beginnt die Erde schwach zu duften und meine Phantasie gaukelt mir das seufzen all meiner Bäume und Pflanzen im Garten vor. Ein Ochsenfrosch beginnt nun ebenfalls sein eintöniges Uh, Uh. Ich habe noch nie einen gesehen, aber diesmal ist er sehr nahe und ich habe meine Füße an mich heran gezogen, es klingt doch sehr unheimlich. Vielleicht werde ich ihn heute sehen, denn zum ersten Mal in all den Jahren ist einer dieser Frösche, die weit hin durch die Nacht zu hören sind, in meinem Garten. 

Viel später, aber immer noch am selben Abend werde ich ihn sehen und nicht glauben das er wirklich so klein ist. Wie zur vollständigen Beseitigung meiner Zweifel, wird er drei Mal seinen lauten Ruf in die Nacht schicken. Er ist viel kleiner als meine Hand, nur um ein weniges größer als ein Schachtel voller Streichhölzer. Wie klein er ist und wie gewaltig sein Ruf. 

Auf dem Beton fließt das Wasser nicht ab, zuviel kommt bei diesem Guß herunter, drei Zentimeter hoch steht das Wasser auf dem Beton. Zum Glück ist es noch windstill und ich kann in meinem Regenzimmer sitzen und schreiben. Mein Regenzimmer, nun habe ich es wieder. Die Terrasse mit dem Regenvorhang der nur 2 Meter neben mir das Zimmer umschließt. Wie sehr habe ich auf den Monsun gewartet, jetzt ist er da. Das Mekongbecken wird sich wieder füllen, die riesigen Sandbänke, auf denen am Abend die Seile gespannt werden, für das laotische Fußballspiel, werden langsam immer kleiner werden, bis sie ende Juni ganz verschwunden sind. Erste Vegetation glaubte sie schon erobert. 
  

Vientiane, Montag 
den 13. Mai 2002 

Blacky, meine schwarze Hündin, hat eine Schlange gestellt. Grün wie Gras und lang wie mein Arm, dabei ist nur so dick wie ein Gartenschlauch. Der Schlange will die Aufmerksamkeit die sie erregt gar nicht gefallen. Wie gerne würde sie wieder im Bambushain verschwinden, doch der ist weit und unerreichbar. Pan hat Angst, dass sie Kamla beißen wird. Kamla ist nicht ganz Herr über sein linkes Bein, es ist gelähmt. 
Der Dorfchef wird herbei gerufen. Pan erklärt ihm wortreich ihre Angst um Kamla. Kaum ein Laote weiß wirklich wann eine Schlange gefährlcih ist und wann nicht, für die Meisten ist jede Schlange gefährlich, so auch diese. 
Eine lange Bambusstange wird mit einem großen Buschmesser, dass der Dorfchef gleich mitgebracht hat, aus meinem Bambus gehackt. Blacky ist keinen Meter von der Schlange gewichen und ihr Bellen, hat die Schlange nun völlig gelähmt. Drei gezielte Schläge und die Schlange ist tot. 
Gegenüber wird es heute abend Schlange geben und ich bedaure wieder einmal mehr, dass auch ich nicht weiß, ob diese Schlange nun giftig war, oder nicht. 

Am Abend, zu Besuch bei einem Freund, hat der Nachtwächter einen großen schwarzen Skorpion gestellt. Eingeklemmt in eine Gabel aus Bambus, weiß er nicht wohin er fliehen soll, als der Nachtwächter ihn zu unseren Füssen befreit. Eindringlich bitten wir ihn, den Skorpion nicht zu töten. 
Vor dem Tor erhält er die Freiheit wieder und ich lausche noch eine Weile in die Nacht hinaus. Er könnte es geschafft haben, auf dieser kleinen Straße fahren in dieser Nacht keine Autos mehr. 
  

Vientiane, Mittwoch 
den 15. Mai 2002 

Heute hat der Salon Geburtstag. Der Salon ist seid dem 15. Mai 2001 teil des Laos Tagebuches. 

Große geflügelte Ameisen umschwirren mich. Brummen in mein Ohr und stürzen sich auf die Tastatur. Nur diese eine Nacht können sie fliegen und morgen früh werden viele von ihnen tot unter den Neonröhren liegen, die den Garten in der Nacht beleuchten, um Diebe abzuschrecken. Es ist nur die Vorhut, der große Ameisenflug kommt noch. 
  

Vientiane, Montag
den 20. Mai 2002

Eine Buddhastatue wachsen sehen, wem ist das schon vergönnt? Den Touristen, die aus Zeit- und Geldmangel 10 Tage, oder 3 Wochen bleiben, leider nicht. Eine Buddhastatue wächst langsam. Sechs Monate, manchmal sogar länger. Geschickte Mönche sind mit den Arbeiten an Buddha vertraut, oder besondere Arbeiter. Die feinen Arbeiten, zum Beispiel der Ausarbeitung des sanften Buddhagesichtes, werden oft nur von einer Person ausgeführt. Buddha hat in Asien einen sehr sanften Ausdruck. Oft umspielt seine Lippen ein feines Lächeln und sofern er die Augen geöffnet hat, ist sein Blick wohlwollend und sanft. Leicht mir vorzustellen, mit wie viel Güte und Geduld sich der laotische Buddha die Sorgen, Nöte und Wünsche der Menschen anhört.
Das Wachsen dieses Buddhas habe ich verfolgt  in dem ich das Wat  regelmäßig besuchte. Manchmal genügte mir auch nur ein Blick, von der Straße aus. Im Vorbeifahren grüßte ich den werdenden Buddha mit einem Lächeln. Mir war als kannte ich ihn schon gut. Die Arbeiten schritten voran, langsam, wie ein Fluss sich sein Bett schafft. Am Abend, eine Stunde vor Beginn der Dämmerung, war meine bevorzugte Zeit, für diesen Spaziergang. Während dieser Besuche lernte ich auch Bandit kennen. Bandit ist ein lernbegieriger, aufgeschlossener junger Mönch. Wohl gewählt waren seine englischen Worte. Über seinen Lehrer sprachen wir nie, es muss einer der wenigen, wirklich guten laotischen Englischlehrer gewesen sein.
Inzwischen ist der Buddha längst fertig und Bandit ist irgendwohin verschwunden. Vielleicht in das normale Leben eines jungen Mannes, oder als Mönch in einem anderen Wat, leider kann ich das nicht sagen. Oft trifft es sich, dass man einen Menschen an den man gedacht hat, zufällig auf der Straße trifft. Würde ich Bandit erkennen, mit ungeschorenem Haar, in Jeans und T-shirt?
 

Vientiane, Mittwoch
den 22. Mai 2002

Monsun treibt die regenschweren Wolken vor sich her. Mitten am Tag wird es dunkel wie zur Zeit der Dämmerung. Windspiele auf der Terrasse klappern und klingeln im Wind. Zaghaft fallen die ersten Tropfen und schon bald rauscht es um mich her. Die Wasserspeier beginnen heftig zu speien und zu dem schweren Rauschen gesellt sich das platschen der Speier. Welch ein Reichtum.
Nur 20 Minuten und alles ist vorbei. Die Sonne kommt hervor, wie die allererste Sonne.
Von den Blättern der Mangobäume tropft noch das Wasser, manche von ihnen hell erleuchtet, wie kostbare Kristalle.
 

Zwischen Udon Thani und Nong Khai, Freitag
den 24. Mai 2002

Schwer beladen mit Tonkübeln und Pflanzen, Spaghetti, Käse, Salami, Rotwein und Erdbeermarmelade fahre ich hinaus in die Ebene, hinaus in die Nacht. Auf dem Beifahrersitz der CD-Player, spielt Lieder von Barbara Streisand in den Kassettenrecorder. Ein paar Schwertransporter überhole ich, einige auf dem Weg nach Laos, wie ich. Menschen auf Ladeflächen, zwischen Waren, auf Pick-Ups, unter Planen, schauen gelangweilt nach vorn. Die Plane verhindert jede Sicht und die Nacht macht alles gleich.
Der Himmel ist eine schwere, schwarze Kuppel. Kein Stern ist zu sehen. In Udon Thani sah ich noch den Mond, beinahe voll. Jetzt, 30 Minuten später, ist er ganz hinter den Wolken verschwunden. Lange Blitze flammen kurz auf und enthüllen Wolkengebirge, vor mir in der Ferne, auf die ich zufahre und mit jedem Kilometer doch nicht erreiche.
Mir ist als sähe ich die Gebirgskette der Anden, am nächtlichen Himmel auftauchen und sofort wieder verschwinden.
Als ich am thailändischen Grenzposten, vor der Freundschaftsbrücke ankomme, hat es noch immer keinen Tropfen geregnet.
Mein Reisepass ist schnell gestempelt, dass Auto exportiert mit der Abgabe eines einzelnen DINA 4 Blattes, der deutschen Botschaft. Die Prozedur ist mir Routine geworden. Einfach und schnell. 30 Baht Brückengebühr und ich fahre wieder über den Mekong, nach Hause. Lichter am Fluss.
Weitere Stempel in Laos und die ersten ausgefahrenen Löcher begrüßen mich in Laos. Aufpassen in der Nacht. Ein hochbeladener Lastwagen fährt vor mir her, auch er hat die Grenze passiert, unbeleuchtet sein Hinterteil. Seine Last bleibt meinen Augen unter der Plane verborgen. Hoch beladen ist er, 40 Stundenkilometer. Vorsichtig überhole ich. Kein anderes unbeleuchtetes Fahrzeug kam mir entgegen. Danach das Übliche, Mopeds nur mit Vorderlicht, Fahrräder ganz ohne Licht. Zu dritt, oder viert nebeneinander fahrend. Aus der Dunkelheit reißen meine Scheinwerfer eine Menschengruppe, ein Moped wird auf der Straße aus einer Whiskyflasche, mit rotem  Benzin betankt. Die großen Wasserbüffel sind zu dieser Stunde längst in ihrem Dorf und die Mitte der Strasse ist frei.
Zwei Mal schüttelt es mich ordentlich, eine neue Bodenwelle im Asphalt, die ich noch nicht kannte.
Es regnet immer noch nicht, Kamla öffnet mir das Tor und die beiden großen Hunde laufen befreit nach draußen. Nur die kleine Lisa, Tochter und Schwester, der anderen Hunde, bleibt um mich zusammen mit Kamla zu begrüßen.

Jetzt vier Stunden später regnen sich die Wolkengebirge aus. Es schüttet und ein dichter Regenvorhang hängt vor meinem Regenzimmer. Es ist windstill und die schweren Tropfen fallen senkrecht vom Himmel. Ein befreiendes Lied ist mir die Stimme des mächtigen Monsunregens. Viele Insekten werden heute nacht Heimatlos und ich hoffe das die Dächer der Menschen dicht sind.
Ich gehe jetzt online, während das Rauschen mich umfängt, und schreibe mein Laos Tagebuch ins Net.
 

Vientiane, Samstag
den 25. Mai 2002

Ein Tuc-Tuc hält vor dem Tor und die beiden großen Hunde bellen.
Der Mann vor dem Tor kommt mir bekannt vor. Er freut sich über mein Wiedererkennen, letztes Jahr war er hier um die Kokosnüsse zu ernten. Zweifelnd schaue ich über meine Schulter hinweg, auf die Palme die hinter dem Haus steht, deren mächtige Palmwedel wit über das Dach hinausragen. Erst vor zwei Monaten waren andere Männer hier und habe ihre schwere Arbeit getan. Mein Zögern wir mit einem Lächeln erwiedert. Was weiß ich schon über die Erntereife, ein Kranz grüner Kokosnüsse, ist zwischen den Palmwedeln zu erkennen. Blacky bellt die ganze Zeit und bevor sie nicht im Haus ist, wollen die Männer nicht in den Garten kommen.
Im letzten Jahr habe ich Fotos von diesem Mann gemacht und ich freue mich, dass ich mein Versprechen nun endlich wahrmachen kann und ihm diese Bilder geben kann. Sein Helfer von damals ist ein junger Mann geworden.
Er ist es diesmal der auf allen vieren den Stamm erklettert. Noch bevor ich alle Fotos zusammen habe ist er oben. 15 Meter über dem Boden ist er gerade dabei über den Kranz Kokosnüsse zu klettern, mir ist dies der gefährlichste Moment. Aus der Höhe wirft er ein Plastikseil, dick wie ein Finger. Geschickt wird ein langes Messer am Seilende befestigt und surrt nach oben. Das Eisen hackt in den dicken grünen Stiel an dem fünf bis neun Kokosnüsse hängen wie Trauben. Vertaut wird die erste Ladung zu Boden gelassen, so schnell das meine Augen kaum folgen können. Eine kleine Pause für den jungen Mann in der Palme. Bald ist das Seil befreit und wird nach oben gezogen.
Zeit für uns am Boden, zu reden. Groß ist der Mann vor mir und aus seinem knochigen, Gesicht schauen mich große schwarze Augen an. 34 Jahre ist er jetzt. So jung noch, denke ich erschrocken. Er ist auf Palmen geklettert seit dem er ein Kind von 10 Jahren war, doch jetzt kann er diese Arbeit nicht mehr selbst tun. Sein Brustkorb, hart geworden von ungezählten Umarmungen, der Palmenstämme, schmerzt zu sehr.
Leicht erscheint mir sein Körper, so als könne schon der nächste Wind ihn in die Luft erheben. Nur sehnen und Haut. Beinahe meine ich jeden Knochen unter seiner, fast schwarzen Haut zu ahnen. Er ist einer von ganz Unten, fleißig und zäh, aber weit ist er nicht gekommen. Sein Fahrrad, mit dem er noch im letzten Jahr kam, der selbstgebaute Anhänger an den Rahmen geschraubt, einzige Bremse sein Fuß, der das Vorderrad bremste. Ich frage ihn nicht danach.
Der Tuc-Tucfahrer, ob er ein Freund ist, oder ob er es gemietet hat und das wenige das er heute verdient, mit ihm und dem jungen Mann teilen muss? Auch danach frage ich nicht.
Erstaunt schaut er auf die Fotos vom letzten Jahr, dass bin ja ich, sagt er. Seine Frau wird sich freuen. Der junge Mann ruft von oben herab, ob er auch auf einem der Bilder sei. Ja, rufe ich laut hinauf.
45 Kokosnüsse sind schnell im Tuc-Tuc verladen. Die Federung sinkt unter dem Gewicht fast bis auf die Reifen. Ein Bündel 500 Kip Noten wird aus der abgeschnittenen Hosentasche geholt, sorgsam entfaltet. Mit ernstem Gesicht wird Note für Note abgezählt. Kipnoten die sichtbar schon in vielen Hosentaschen waren, abgegriffen und vergilbt. Als das Tuc-Tuc aus dem Tor geschoben wird und die beiden Anderen schon warten, gebe ich dem Mann sein Bündel beinahe ganz wieder zurück. Süßigkeiten für das Kind, dass jetzt drei Jahre ist. Wir werden uns bald wiedersehen.

Mein Reisetagebuch Deutschland, befindet sich mit zahlreichen Fotos meiner Reise im Salon.
Deutschland ein Reisetagebuch von Ilona Duerkp

25. Juli 2002
Lufhansa Starallinaz machte unmöglich scheinendes möglich.
Beim check in am Köln-Bonner Flughafen: Unser Flug war Gestern!
Vier Tickets konnten umgebucht werden. Die Zeit drängte.
Das Flugzeug nach Frankfurt wartete 15 Minuten auf uns.
Im Laufschritt die leicht ansteigende Gangway rauf und hinein ins Flugzeug.
Ganz benommen noch von dem Glück, das alles gut gegangen war und das unserer Reise bis Bangkok nichts im Weg stand.
 

26. Juli 2002, zurück nach Laos
Unser Weiterflug von Bangkok nach Vientiane, mit der laotischen Fluggesellschaft, Lao Aviation, war schnell und problemlos umgebucht. Auch hier hatte man uns einen Tag zuvor erwartet. Die Maschine war halb voll und wir wechselten die gebuchten Plätze mit Fensterplätzen. Unter unseren Sitzen, irgendwo im Frachtraum  unser Gepäck. Jetzt würde ich doch gerne wissen wieviel Kilo Übergebäck wir hatten.

Zwei Stunden nach unserer Ankunft, prasseln dicke Tropfen auf die Betonplatten. Algen haben sich ausgebreitet unter den Wasserspeiern. Grüne Stellen auf dem Beton, glitschig wie Steine im Fluss. Im Kleiderschrank riecht es muffig, schimmelig. Ein vergessener Ledergürtel im Badezimmer ist von einer feinen Schimmelschicht bedeckt. Monsun.
Ich bin wieder zu Hause. Ein Teil von mir ist noch nicht dort wo ich bin, ein paar Tage und ich werde ganz angekommen sein.
So viele Gespräche, lange Nächte mit Freunden.
Dankbarkeit, dass Freundschaft 10.000 Kilometer aushalten kann.

Vientiane, Montag den
 5. August 2002

In der Bank wechsele ich die Thai Baht, die ich Gestern in Udon Thani, Thailand am Geldautmaten mit meiner EC-Karte gezogen habe. In meiner Abwesenheit ist der Kip wieder gefallen. Bekam ich im Juni noch 225.000 Kip für. 1.000 Baht, so bekomme ich heute 250.000 Kip für 1.000 Baht.
Ich verlasse die Bank mit 1.000.000 Kip, in 5.000 Kip Noten, die größte Banknote die es in Laos gibt.
Lange währt mein Reichtum jedoch nicht. 580.000 Kip bezahle ich für die Stromrechnung eines Monats und der Rest verschwindet im Büro der laotischen Telekom.
 

Vientiane, Dienstag den
14. August 2002

Alles schläft bei mir, nur ich sitze noch am Laptop, höre mein Tippen und einen leisen, Dauerregen. Schön das der Monsun mir noch einen kleinen Rest aufgehoben hat.
Täglich mache ich einen Spaziergang mit Silvan im Kinderwagen und wir haben eine Menge kleine Gespräche, mit Menschen in allen Altersklassen. Auch der Leiter eines Tempels in der Nähe, der einzige alte Mönch den ich in einem Auto fahren sehe. Er fährt nicht selbst, sondern wird gefahren. Ein Oldtimer, zur Zeit ist er grün. Dieses alte Auto kenne ich schon lange, bevor es grün war, war es schwarz und an die Farbe davor kann ich mich leider nicht mehr erinnern. Tadellos lackiert. Vage habe ich immer einen alten Mönch im Font, neben dem Fahrer gesehen. Jetzt kenne ich seine Züge besser. Letzte Woche kam er gerade in seinem Wat an, mit einem anderen alten Mönch und dem Fahrer. Er freute sich über mein Interesse für das Dach seines Tempels, dass ich mit dem Fotoapparat zum Ausdruck brachte. Noch nicht ganz ausgestiegen fragte er mich: How are you?
I am fine, ich zögerte kurz, lachte und sagte dann: and you?
Er lachte einfach nur noch mehr.
Jetzt kennen wir uns. Der andere Mönch verfolgte unser kleines Gespräch übrigens mit Missbilligung. Ich denke wir haben es beide bemerkt. Den Mönch störte es nicht, wieso sollte es dann mich stören.
An der Residenz der amerikanischen Botschaft wird die Mauer vor gesetzt. Die Alte ist weg und die Neue erst halbfertig. Da müssen die Wachtposten verdoppelt werden. Sie schauen ganz ernst, weil sie müssen. Täglich sehe ich die Mauer wachsen und die Maurer kennen uns beide auch schon ganz gut. Ich muss schon eine ganze Weile lächeln, obwohl die Arbeiter das aus der Ferne ja noch gar nicht sehen können.
Gegenüber der Residenz gähnt Silvan und mich ein Haus mit einer offenen Vorderfront unverschämt an. Auf der Lichtkuppel, die Mitte des Daches liegt lieblos einige Meter Wellblechdach.
Das Tor ist eine malayische Schmiedearbeit und daran hängt ein Schild: House for rent.
Die Miete wird wohl für ein Jahr zu bezahlen sein, was nicht unüblich ist, dann wird weiter gebaut. Die größe des Hauses würde schon für eine Botschaft ausreichen.
Für den amerikanischen Botschafter ist es natürlich ein weiteres Sicherheitsrisiko, so ein leerstehendes Haus, zieht allerlei Gesindel an. Die wer weiss was tun könnten, doch dies überlass ich ganz der botschaftlichen Phantasie. Soll er sich doch was überlegen.
Erst mal muss die Mauer fertig sein und wenn die Jungs so weiter bauen, dann ist Ende dieser Woche schon wieder alles dicht. Lange Zeit für so einen Botschafter. Ob er wohl nachts schläft?
Die Jährung des 11. Septembers rückt immer näher.
Die neue Mauer ist einen halben Meter höher als die Alte, aber was ist schon ein halber Meter, das Geld hätte man sich wohl auch sparen können.
Doch was weiss denn ich vom Sicherheitsrisiko.
Heute habe ich ein Foto von der russischen Botschaft gemacht, auch in der Nachbarschaft. Mehr habe ich mich nicht getraut, ich hatte das unbestimmte Gefühl: Gleich werde ich verhaftet.
So ein Unsinn.
Aber Botschaften zu fotografieren ist überall auf der Welt so eine Sache.
Ich bin nicht verhaftet, war ja auch nur ein ganz kleines Foto, hätte ich denen schon klar gemacht. Den Film hergeben? "Hey Jungs, das ist eine Digitalcamera, ich muss euch da glaube ich wohl mal was erklären, wo fange ich an?"
Hat aber keiner gefragt, schade eigentlich!
Weiter ins Wat, da darf ich alles fotografieren. Neugierige Mönche kamen und probierten ihr englisch aus. Gerne. Vor Jahren habe ich hier Bandit kennen gelernt. Einer der Mönche kannte ihn auch. Bandit ist seit 2 Jahren in Thailand und lernt in einem anderen buddhistischen Wat. Mich erstaunt es nicht. Er war ein lebendiger Mönch mit wachen Augen, der viel mehr sah als andere und sein Englisch war schon sehr gut. Ein Australier war sein Lehrer, wenn ich mich recht entsinne. Wenn ich noch eine Weile im Land bleibe, treffen wir uns vielleicht wieder und er wird sich freuen das ich mich noch an ihn erinnere und ich mich, wenn er es denn auch tut. Viele Ausländerinnen verirren sich nicht bis zu diesem Tempel, der außerhalb des Stadtkerns liegt, die Chancen stehen gut.
 

Vientiane, Freitag den
16. August 2002

Von außen kann man nicht ins Innere des kleinen Supermarktes sehen. Die Fenster sind zugeklebt mit allerlei Ankündigungen. Viele Autos suchen einen neuen Käufer. Die Farbfotos sind auch aus der Ferne schon gut zu erkennen. Autos von Ausländern, die in Laos gelebt und gearbeitet haben und nun wieder ihre Container füllen, abreisen.
Autos steuerfrei eingeführt. Prados, Landcruser für 15.000 bis 30.000 Dollar. Ein blauer VW Käfer ist auch dabei, in tadellosem Zustand steht da, kein Baujahr, keine Kilometer. Eine Telefon Nr, eine E-Mail Adresse und der Preis, 5.000 Dollar. Ein Käfer unter den Großen, ohne 4 weal drive, versteht sich von selbst.
Ein Laote müsste für diesen Käfer immer noch 10.000 Dollar auf den Tisch legen, 5.000 Dollar Steuern.
Mein Laotischlehrer hat mich vor nicht allzu langer Zeit gefragt, ob ich das Auto, dass er zu kaufen beabsichtigte, nicht auf meinen Namen anmelden könnte. Auf diese Weise hätte er die Steuern nicht bezahlen müssen und das Auto hätte ein Nummernschild bekommen, blaue Schrift auf weißem Grund, ein Autokennzeichen das den Besitzer als Ausländer ausweist. Andere Farben sind beispielsweise dem Militär, Unternehmern, Ministerien oder Privatleuten vorbehalten. So erkennt man in Laos schon am Kennzeichen die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Personengruppe.
Während mein Lehrer sich noch meiner Zustimmung versicherte, wurde das Auto verkauft. Immer noch fährt er mit seinem kleinen Moped in die Universität, oder zu den wenigen ausländischen Schülern, die bei ihm Laotisch lernen.
An der Universität ist er Professor für Deutsch, von seinem Gehalt allein kann er jedoch nicht leben. Manchmal muss er einen oder zwei Monate auf die Auszahlung warten. Hin und wieder arbeitet er auch für ein Reisebüro und fährt mit deutschen Touristen, beispielsweise nach Luang Prabang. Dann fällt sein Unterricht an der Universität aus, wenn kein Kollege einspringen kann.
 

Vientiane, Dienstag den
20. August 2002

Am Busbahnhof befindet sich einer der ältesten Märkte von Vientiane. In meiner Abwesenheit hat es dort wieder ein großes Feuer gegeben. Zwischen den neuen bunten Sonnenschirmen ist noch hier und dort ein verkohlter Überrest zu erkennen. Nicht weit von diesem Markt hat es eine Siedlung gegeben. Sie ist ganz verschwunden. Bauschutt und nackte Ziegelsteine, platt gewalzte Fässer, die als Dach oder Zaun gedient hatten sind in den Trümmern noch zu finden. Hier haben gut 30 Familien gelebt, auf engstem Raum. Jede Familie hat am Abend vor dem Haus ihr eigenes kleines Feuer entfacht, auf dem die Mahlzeiten zubereitet wurden. Über die Behausungen erhoben sich hier und dort Bambusstangen an deren Ende eine Fernsehantenne befestigt war. Alles das ist verschwunden und sobald der Schutt vom ersten Gras überwachsen ist, wird es so aussehen als habe es hier nie eine Siedlung gegeben.
Ich weiss nicht wohin diese Familien mit ihrer wenigen Habe gegangen sind.
An jedem Morgen konnte man über die wackelige Holzbrücke, die über den neuen Kanal führt, junge Mädchen in tadellosen weißen Blusen und langen Röcken zur Schule gehen sehen.

Der Meckong ist über sein Ufer getreten. An einigen Straßen sind Sperren aufgestellt und die Polizisten lassen dort niemanden durch. Am Damm haben viele Menschen ihre Häuser ausgeräumt. Wohnzimmerschränke stehen auf dem Damm, zusammen mit anderen Habseligkeiten.
Wenn es heute nacht wieder regnet, dann spitzt sich die Situation in Vientiane und anderen Provinzen zu.
Männer stehen mit ihren Netzen regungslos im Wasser. Wenn man schon nichts tun kann, dann kann man wenigstens einen guten Fang machen.
Während des Mosnuns steigt der Mekong in jedem Jahr um 10 Höhenmeter, alles was drüber geht überschwemmt Straßen und Häuser.
 

Vientiane, Mittwoch
21. August 2002

Mutter aller Wasser, so wird der Mekong hier in Laos genannt und wirklich hat der Mekong all seine Kinder in sich versammelt. Schnell fließt er am Damm entlang. Nur 20 Zentimeter und der Mekong hat den Damm erreicht. Viele Menschen sind gekommen und schauen dem schnellen Fluß zu. In der Mitte des breiten Stroms, treiben vereinzelte, Bäume. Nur die Wurzeln ragen aus dem braunen Wasser heraus.
Den Damm säumen Hunderte von Mopeds, auf denen die Besitzer es sich bequem gemacht haben. Alle Parkplätze der Umgebung sind bis auf den letzten Platz besetzt.
Auch das umgebaute Moped, mit der großen Eiskiste und dem Sonnenschirm, verkündet mit einer lustigen Meldodie vom Band, die Anwesenheit des Eisverkäufers. Ein Stand, der an einem Fahrrad montiert ist, verkauft getrockneten Tintenfisch. Die Vietnamesinnen wandern, mit ihren Bauchläden zwischen den Menschen hin und her.
Ein altes Ehepaar verkauft klein gemahlene Eisblocks, die wahlweise mit grünem, rotem oder orangefarbenem Sirup übergossen werden. Das Eis wird mit süßer Kondensmilch, aus der Dose übergossen und ein kleiner Junge, schaut mit großen Augen zu, wie das Eis sich langsam grün und rot färbt, denn er hat sich für diese beiden Farben entschieden.
Dort wo der Damm enger wird, machen Fußgänger und Mopedfahrer einander Platz. Eine Abgaswolke schwebt über Allem.
Dicht am Damm stehen Klapptische und beinahe alle bunten Plastikstühle sind mit Menschen besetzt. Von den Holzkarren am Straßenrand, kommt Bier, Pepsi und Papayasalat. Manche der Stühle stehen beinahe schon im Wasser.
Man redet, schaut die Menschen an die in stockenden Strömen an den Tischen vorbei kommen. Niemand wirkt aufgeregt, oder besorgt.
Zu tun bleibt wenig, wenn der Mekong weiter steigt. Warten auf den Regen, der vielleicht einen Tag Pause macht, wenn es gut geht, wenn nicht, dann wird der Mekong über den Damm kommen.
Kleine Inseln sind im Mekong verschwunden, ein Dorf musste fast ganz geräumt werden. In drei Häusern die etwas höher liegen, harren die Menschen aus.
Die Wasserbüffel weiden nun dicht neben der Straße. In der ersten Stunde der Nacht glänzen ihre großen Leiber im Schein der vorbeifahrenden Autos kurz auf, letzte Spuren vom Schlammbad.
Wir warten, was weiter geschieht.
 

Vientiane, Donnerstag
22. August 2002

Letzte Nacht hat es nicht geregnet und der Mekong ist nicht weiter angestiegen, im Gegenteil, etwa 30 Zentimeter ist er gefallen. Noch zu wenig für die Menschen die ihre Häuser vor den Damm gebaut haben, sie stehen immer noch bis zum ersten Stock im Wasser. Wohnzimmerschränke und einige Kisten stehen auf dem Damm. Habseligkeiten die sie aus ihren Häusern, mit dem Boot zum Damm gefahren haben. Zu Beginn der Dunkelheit fahren viele mit dem Boot zu ihren Häusern. Die Boote werden am Türrahmen festgebunden und manch einer, dessen Treppe ganz im Wasser verschwindet, steigt vom Boot aus durch eines der Fenster ins Haus.
Solange es noch hell ist, wird geangelt. Da der Strom schon vor Tagen aus Sicherheitsgründen abgestellt wurde, gibt es noch mehr Beobachter als sonst.
Viele Männer stehen mit ihren viereckig gespannten Netzen auf dem Damm und lassen das Netz ins Wasser, wenn die gemessene Zeit vorüber ist, ich habe das Gefühl die Verweildauer des Netzes im Wasser, bestimmt eine innere Uhr, dann wird das viereckige Netz mit der Bambusstange nach oben gezogen. Neugierig warten die Umstehenden darauf, dass der Fang sichtbar wird. Auch ich bleibe stehen. Vier fingergroße Fische zappeln in der Mitte des Netzes. Sie werden in den Eimer geworfen und das Ritual beginnt von neuem.
Was bringt die heutige Nacht? Eine weitere Nacht ohne Regen wäre ein weiteres Geschenk. Können wir drauf hoffen?
 

Vientiane, Montag
26. August 2002

Wieder ist ein halbes Jahr vorüber. Am heutigen Tag läuft mein laotisches Visum aus. Ab Morgen bin ich halbillegal in Laos. Der laotische Expertenpass, ist bereits verlängert und es wird sicher nicht lange dauern, bis mein Pass einen neuen großen Stempel trägt. Mein Visum bis Februar 2003. Viele Wege sind notwendig, doch ich brauche sie nicht selbst zu gehen. Ein Angestellter des DED Büros nimmt mir diese Wege ab.
 

Vientiane, Freitag
30. August 2002

Sperrstunde, doch die Gäste der Diskothek, mitten im Reisfeld wie mir bei der Anfahrt hierher schien, können nicht nach Hause. Ein mächtiger Regenschauer prasselt auf den Lehmboden des Parkplatzes. Durch die geöffnete Tür dringt kühle Luft, die den Geruch von Humus zu uns heranweht. Zu Zeiten erinnert mich dieser Geruch an meine Vergänglichkeit, meist ist sie mir jedoch die Duftmarke des üppigen Wachstums.
Zögernd bringt  eines der jungen Mädchen, die hier arbeiten, noch eine Flasche Bier an unseren Tisch.
Bereits fünfzehn Minuten später ist alles vorüber. Große Pfützen müssen umrundet werden und ich steige mit lehmigen Sandalen ins Auto. Im Vorbeifahren sehe ich wie im Traum Obststände, die die Früchte zu Pyramiden aufgebaut haben, die von hellen Neonröhren beleuchtet werden. Von den großen Marktschirmen tropft immer noch das Wasser. Ein geschäftiges Treiben empfängt mich in Vientiane, zum Zentrum der Stadt nimmt es immer mehr ab und im Zentrum kommt es mir still und ruhig vor.
Ich weiß um die Plätze der langen Nächte, aber mich zieht es nach Hause.
Kai Kham schließt das Eisentor hinter mir und ich erfahre noch das alles in Ordnung ist.
Das Licht im Haus ist gerade aus und ich gehe im Dunkeln an den Räumen vorbei, in mein Schlafzimmer und plötzlich ist alles für einen Augenblick lang, taghell.
Ein gewaltiger Donner folgt sofort nach und schon rauscht es vor den Fenstern und lange dichte Regenvorhänge, schlucken das Licht einer Neonröhre, die in der Nacht einen Teil des Gartens ausleuchtet. Die Stille ist verschwunden. Ein Prasseln und Rauschen  scheint mir der Welt einzige Stimme zu sein. Lange liege ich wach und lausche auf diese mächtige Stimme und denke an den Mekong, das Hochwasser und was in dieser Nacht da draußen wohl geschieht.
 

Freitag, den 31. August 2002
in Vientiane

Nazim, von vielen einfach nur der Inder genannt. Obwohl das nicht ganz richtig ist. Einige der Vorfahrten kamen von Indien, nach Malysia, um dort in den Teeplantagen Arbeit zu finden. Immer noch lebt ein großer Teil der Familie in Malaysia. Ein anderer Teil fand ein Auskommen in Laos. Viele Touristen besuchen das Restaurant „Nazim“ am Abend um dort zu essen.
Auch ich war heute abend dort, mit meinen beiden Söhnen.
Viele kleine Schüsseln brachte die laotische junge Frau, die hier die Gäste bedient an den Tisch. Es sei mir an dieser Stelle erlaubt, unser üppiges Mahl in Stichworten nach zuzeichnen.

Vegetable Samosa
Traditional patties filled with minced vegetables                               5.000 Kip

Chicken Samosa
Traditional patties filled with minced chicken                                      6.000 Kip

Garlic Chicken
Seasoned boneless chicken cooked with Garlic
And tomatoes paste                                                                               15.000 Kip

Chicken Makhan Wallah
Tandoori boneless chicken with spices and red Gravy                     17.000 Kip

Palak Mutter
Spinach with Tofu sauce                                                                           9.000 Kip

Cheese Nan
Nan bred with cheese                                                                                  4.500 Kip

Rice                                                                                    3.000 Kip

Plain Nan
Traditional Leavened Bread freshly cooked in Taandoor                       3.500 Kip

Lemon Juice und two Pepsi

Alles zusammen ein reichliches Essen für                        84.000 Kip
Etwas mehr als 8 Euro, näher kommt das Paradies nur selten  ;-)

Vientiane, Dienstag den
 3. September 2002

Heute Abend erinnere ich mich ganz deutlich an ein Erlebnis, dass ich hier in Laos mit einem guten Freund teile. Wir waren im vorletzten Jahr zusammen zum großen That Luang Fest in Vientiane, am Nachmittag. Die Lifebands würden erst am Abend auf den Bühnen sein, die die Stirnseite des riesigen Paltzes bilden.
Nur zum That Luang Fest, ist dieser Platz belebt, den Rest des Jahres wirkt er wie ein leerer Platz, der auf das anwachsen der Menschen, des Verkehrs in den nächsten 10 Jahren wartet. So als habe man einmal vorausschauend geplant. Man hatte mit dem Platz Größeres vor. Eine Flamme, auf dem „Grabmal“ des unbekannten Soldaten brennt die meiste Zeit, dahinter ein Gebäude, dessen Zweck die Meisten, schon wieder vergessen haben, gegenüber der großen Kaserne. Ein „Regierungsbebäude“ für Feste, mit der zerstörten roten Flamme auf dem Dach, ist dem Vergessen ebenso preisgegeben. Unkraut wird entfernt, aber Farbe gibt es schon lange keine neue mehr. Immerhin ist es so imposant, dass nicht einmal die Fenster eingeschmissen wurden.
Ein Vergnügungspark, mit Riesenrad und Kinderkarussell, dessen guten Tage, eindeutig schon vorbei sind. Vor allem am Wochenende, ist es immer noch ein Paradies für kleine Kinder. Das Riesenrad ächzt und scheppert, der Rost ist schon lange nicht mehr übermalt worden.
So als habe man sich wieder an die Pläne des Platzes erinnert, gibt es am That Luang, der großen Stuppa, die zwei Mal zerstört wurde und nun in goldener Pracht, eines der Wahrzeichen von Vientiane bildet, den Neubau. Eine  Tempelanlage, die ihres gleichen in ganz Laos nicht findet. Ein Zufall, das eine sehr ähnliche Tempelanlage, seit zwei Jahren im Bau ist, 150 Kilometer vor Bangkok?
Schon jetzt ahnt man den zukünftigen Prachtbau.
Doch all dies nur gewissermaßen als Rahmen für meine eigentliche Erinnerung.
Es waren noch nicht viele Menschen an diesem heißen Nachmittag, im November unterwegs. Stefan* und mich interessierten vor allem die kleinen Stände, die nicht von großen Firmen aus Thailand und Laos errichtet worden waren. Vor allem die Bilder der laotischen Kunststudenten, die in diesem Jahr zum ersten Mal, ihre Bilder einem großen Publikum zeigten. Kleine Handwerksbetriebe die ihre Töpferei und Korbwaren, aller Art, zum Verkauf anboten.
Ein altes Mongpaar verkaufte traditionelle Medizin und einige kleine Buddhastatuen. Zwei kleine Figuren, mit roten Augen zogen uns beide an, wie magnetisiert. Viel war nicht zu erfahren, da die beiden Alten nur wenig Laotisch sprachen. Der Preis wurde in Thai Baht verhandelt. Ich hatte inzwischen beschlossen, dass ich die kleine Figur lieber nicht im Haus haben wollte. Stefan lachte nur.
Wir wurden handelseinig und Stefan nahm die kleine Figur mit nach Hause und stellte sie an einem zentralen Platz in seinem Haus auf. Schon bald berichtete er mir, dass die roten Augen ihn zu verfolgen schienen, wenn er durch sein Haus ging. Das Zusammenleben wurde ein Solches, und schwieriger. Bald war sich Stefan der Anwesenheit dieser Figur so bewusst, dass er Gedanken an sie nicht mehr ausblenden konnte. In Deutschland waren uns Geister fremd, wie sie vielen meinen Lesern fremd sein werden. Wir glaubten einfach nicht daran, dass es bewohnte Gegenstände gibt, die eine Magie haben, die auf uns wirken. Beide sind wir Geistern in Laos näher gekommen, auch wenn wir ihre Anwesenheit nicht spüren, so ist es mehr als bloß zu akzeptieren, dass es für die Laoten Geister gibt, ganz real und im täglichen Leben.
Stefan fühlte diesen Geist, oder eine Macht, die von der nur 8 Zentimeter großen Figur ausging. Dennoch wollte er sich nicht von der Figur trennen. Meinen Vorschlag sie der Erde zurück zu geben lehnte er ab. In Deutschland hätte ich das nicht verstanden, hier war es plötzlich ein wichtiges Thema, dass ich nicht mit Spott abtun konnte. So riet ich ihm, eine Zeremonie im Wat, mit einem Mönch zu machen. Auch seine laotischen Kollegen, mit denen Stefan zusammen arbeitet, rieten ihm dazu.
Die Macht der Figur war aber in den Tagen dazwischen so stark geworden, dass er sie schließlich doch nicht mehr im Haus haben wollte. Nachts konnte er nicht mehr schlafen, seltsame Träume schreckten ihn auf, die er nicht verstand.
So fuhr er an einem Wochenende, mit einigen loatischen Freunden, zum Nam Ngüm. Dort wo der Fluss gestaut wurde und einen riesigen See gebildet hat, der bis nach Vang Viang reicht und mehrer Dörfer dabei verschlang. Stefan hat sich von der Figur verabschiedet. Seine Freunde hatten besondere Blüten mitgebracht, auch sie wurden mit Erde bedeckt.
In der Nacht darauf wachte Stefan auf und ging an den Platz, wo die Figur gestanden hatte. Er war sicher das sie dort sein würde, als sie das nicht war, schlief er wieder ein. Am Morgen wusste, dass die roten Augen ihn dennoch geweckt hatten. Ein Teil von ihm, der für solche Begebenheiten in Laos aufnahmefähig geworden ist, glaubt das die Figur zurück kam, um ihm zu versichern, dass sie nicht zornig ist.
Vieles von dem was geschah können wir beide bis heute nicht verstehen, aber es geschah, vor allem mit ihm. Seit dem die Figur sein Haus verlassen hat schläft er wieder.
Etwas war da, aber Etwas lernen wir nicht zu fassen in unserer Kultur. Mit dem Verstand können wir auch immer noch nicht verstehen, was eigentlich geschehen ist, aber wir akzeptieren, dass der Verstand für diesen Fall, nicht das richtige Werkzeug ist.
* Name geändert
 

Vientiane, Freitag
den 13. September 2002

Der Monsun hat den Straßen mehr zugesetzt als in den Jahren zuvor. Nie habe ich so viele Schlaglöcher gesehen, wie in diesen Tagen, die das Ende der Regenzeit schon ankündigen. Flickwerk sind die Reperaturarbeiten.
Eine kleine Arme von Arbeitern ist seit Tagen damit beschäftigt, die Schlaglöcher mit Kies und Sand aufzufüllen. Vientiane ist wieder staubig geworden, wie in den ersten Jahren, in denen ich Vientiane gerade kennenlernte. Nach wenigen Tagen  ist von den Bemühungen, die Straßen zu flicken, nichts mehr zu spüren, im Gegenteil, die Schlaglöcher sind nur noch tiefer geworden und zwingen die Mopedfahrer zu gefährlichen Ausweichmanövern im letzten Moment. Die meisten Fahrzeuge bevorzugen nun eindeutig die Mitte der Straße, oft bleibt nicht mehr übrig, als eine Spur.
Autos und Lastwagen fahren nicht mehr schneller als, 35 km/h. Wie Tänzer überholen Mopeds die Autoschlangen, links und rechts, es ist als kommen sie überall her. Dem ankommenden Reisenden schwirrt es vor den Augen und unsicher überquert er die belebten Straßen. Zur Mittagszeit und in der Stunde vor Sonnenuntergang, sieht er Polizisten, die gelassen die Verkehrsflut dämmen und einen Schwall Schüler, auf Mopeds, Fahrrädern und zu Fuß, in die beherrschte Lücke zu schleusen. Dann dürfen die Anderen wieder fahren, bis einem nächsten Schwall Schülern, freie Bahn verschafft wird.
Die Stadt hustet und blinzelt durch den Staub hindurch. Schon sehe ich die ersten Mopedfahrer wieder mit Mundschutz fahren.
 

Vientiane, Sonntag
den 15. September 2002

Ein Lesesonntag auf der Terrasse, bei brütender Hitze, der Deckenventilator funktioniert nicht, ich vermute auf den Kontakten ist der Schimmel eingezogen. Im Haus ist es kühler, die Ventilatoren laufen in jedem Zimmer, doch leider ist es drinnen redcht dunkel. Wenn nun doch mit jedem Tag der Himmel blauer wird, dann möchte ich ihn auch sehen.
Ich versinke in einem alten Reisebericht, der im Jahre 1882 beginnt. Der Franzose Dr. Neis, reist im Auftrag des Ministeriums für ländliche Entwicklung, durch Laos und Siam (heute Thailand). Sein Auftrag lautet einen Weg vom Mekongbecken nach Annam oder Tonkin zu finden. Auf seiner Reise trifft er Puan, auf der Flucht vor chinesischen Banditen, die ihr Königsreich zerstörten. Schon bald ist er zusammen mit den Puan auf der Flucht. Leider ist für mich nicht nach zu voll ziehen, wie die Puan heute heißen, oder in welcher Minorität, Reste dieser Gruppe zu finden sind. In seinem Reisebericht sind die Lebens- und Jagdgewohnheiten der Puan festgehalten.
Sein Weg führte ihn schließlich nach Luang Prabang und er verfolgte den Flusslauf des Nam Ou. Neis war nicht nur ein guter Beobachter, sondern auch ein begnadeter Zeichner. Während er dem Flusslauf folgte hielt er auf vielen Zeichnungen nicht nur die Landschaft, sondern auch die Bekleidung der Bevölkerung fest.
Die Zeichnungen sind in vielen Teilen von Laos bis heute, mit Leben erfüllt zu sehen. Boote  und Häuser werden heute noch genau so gebaut wir vor 120 Jahren. Auf dem Umschlag des Buches ist eine Elefantenkarawane zu sehen, die auf ihrem Rücken große Körbe Tragen, in denen der Reisende vor Sonne und Regen geschützt , seinen Weg verfolgen konnte. In der Galerie befindet sich ein Foto aus diesen Tagen mit genau den gleichen Körben, auf den Rücken der Elefanten.
 

Vientiane, Donnerstag
den 19. September 2002

10.000 Kilometer Luftlinie hat Die Zeit hinter sich, bis sie in meinem Postfach in Vientiane liegt, nur vier Tage später, als sie in Deutschland an den Kiosken und den vielen Briefkästen der Abonnenten ankommt. Das die Post in Laos so langsam sei, ist ein Vorurteil das ich nicht bestätigen kann. Wohl kommt es vor, dass Briefe auf denen nicht der Zusatz Asien steht, in Lagos (Afrika) ankommen und dann hin und wieder nach einer langen verzwickten Reise, drei Monate später, doch in Laos ankommen. Solches geschieht von Zeit zu Zeit. Doch das liegt nicht an den hiesigen Postämtern, sondern am Absender.
So wird es sich auch mit meinen Wahlunterlagen für die Briefwahl verhalten. Ende Juni, gleich zu Beginn meines Heimaturlaubes habe ich die Unterlagen bei der Stadt Bonn, dort war ich zuletzt gemeldet, abgegeben.
Eine Entwicklungshelferin in Laos, erhielt Wahlunterlagen, die für eine Frau in Taiwan bestimmt waren. Das Zuständig Amt, meinte das könne nicht sein. „Ich halte sie hier in der Hand.“, war dann eine Antwort die auch die Sachbearbeiterin überzeugte und sie versprach die Wahlunterlagen an Beide, neu zu verschicken.
Wieder andere Briefwahlunterlagen waren in Vietnam gelandet und von dort nach Vientiane, Laos geschickt worden. Geschichten dieser Art gibt es sicher noch mehr zu erzählen. Ich werde mich damit abfinden müssen, nicht wählen zu können! Meinen Ärger darüber würde ich gerne dem Schuldigen übergeben, doch wer und wo ist er zu finden?
Bor bpen njang (Mach nichts), manches aber doch . . .
 

Vientiane, Sonntag
den 22. September 2002

Deutschland wählt! Mit fünf Stunden Zeitverschiebung bekomme ich in einem Chat, die ersten Zahlen direkt vom Bildschirm in die Tastatur getippt. Es ist so spannend, dass ich mich zwingen muss, um 3 Uhr zu Bett zu gehen, da ist es in Deutschland 22 Uhr, der Zeitpunkt in dem die Zahlen sich immer mehr festigen, entgültiger werden.
Meinen Ärger habe ich über das Chaten und die Spannung völlig vergessen.
 

Vientiane, Dienstag
den 24. September 2002

Passbilder auf laotische Weise:
Der große Kopierladen hat eine Ecke, die durch ein Regal vor den Blicken abgeschirmt ist. Ich sehe den Spiegel an der Wand und das kleine Schränkchen auf dem ein Kamm und ein Haarbürste mit sehr krummen Borsten bereit liegen. Einen Teil des Stativs kann ich auch erkennen. Vor dem Spiegel müht sich ein junger Mann mit einer Krawatte ab, ich merke ihm an, dass er noch nie eine Krawatte gebunden hat, aber auch nicht um Hilfe bitten möchte. Die beiden oberen Knöpfe des weißen Hemdes sind noch geöffnet. Er hat aufgehört das Hemd weiter zu zuknöpfen, als unsere Blicke sich im Spiegel trafen und ich lächelte. Auf dem Regal liegt ordentlich zusammen gelegt, das rote T-shirt mit dem er in den Laden gekommen war. Kundenservice wird hier groß geschrieben, dazu gehören eben auch ein weißes Hemd und eine blaue Krawatte.
Nun hat er es doch geschafft und die Krawatte ziert ein ordentlicher Knoten und alle Knöpfe sind geschlossen. Die Haare gekämmt, steht er da, noch einen letzten Blick in den Spiegel und er ruft den Fotografen, lässt ihn wissen das er fertig ist.
Kleider verändern einen Menschen sehr, ich habe das immer schon gewusst, aber nie habe ich eine Verwandlung so unmittelbar, vor meinen Augen geschehen sehen.

Nong Khai Thailand, Vineiane, Sonntag den
20. Oktober 2002

Ein Frühstück auf der anderen Seite des Mekongs. Vom Ufer aus schaue ich nach Laos. Ein aufrechter weißhaariger Mann kommt an meinem Tisch. Ein blaues Hemd, aus dickem Stoff, an den Seiten geschlitzt und eine Hose in der selben Farbe. In der Hand zeigt er mir eine geflochtene Schnur, an der drei Anhänger, in gleichem Abstand befestigt sind. Die Anhänger sind einfach gearbeitet. Einer von ihnen ist ein einfacher Bronzeanhänger, mit dem Bildnis eines berümhten Mönches, dass er bei einer Wahlfahrt gekauft hat. Auf der Rückseite ein Segensspruch. Eine eingefasste aufrechte Buddhagestalt, die in der traditionellen Haltung um Regen bittet. Der dritte Anhänger ist aus Sandstein und eingefasst in einem Metallrahmen, mit viereckigen Fenstern aus Plastik. Die Vorderseite zeigt den meditierenden Buddha und auf der Rückseite erkenne ich Rama 4, einer der thailändischen Könige, der auch heute noch vom Volk sehr verehrt wird. Deshalb wundert es mich nicht, ihn hinter dem Buddhabildnis zu finden.
200 Baht möchte der alte Mann für  diese kleine Sammlung, die er nach und nach zusammen gebracht hat, und vereint hat, an einem bunten, selbst geflochtenem Band, haben. Die Enden sind über dem Feuer, miteinander verschweißt worden. Eine kleine Stelle nur, die mich anrührt. Ich ahne wie schwer es für ihn ist, sich von diesen Amuletten zu trennen. Und das dies alles ist, was er noch verkaufen kann. Ich weiß nicht wie lange diese drei Bildnisse seinen Weg begleiteten. Seine Personenkennkarte hält er mir hin, mit einem Bild von ihm, sein Ausweis. Mich beschämt es, sein Bild zu betrachten, auf dem er Jünger ist als jetzt, um mir zu zeigen das er zu jemandem gehört, ein zu Hause hat. Zu dem er fahren möchte, mit dem Bus, deshalb braucht er das Geld.
Ich weiß das Gold, in den Familien, der Notgroschen für das Leben ist. Goldene Ketten, Armbänder und Ringe mit großen viereckigen Steinen.
Wer kein Gold mehr besitzt, der verkauft seinen Buddha, seinen Beschützer. Ich möchte diesen geraden Mann, den das Alter nicht gebeugt hat nicht beschämen. Ihm die 200 Baht geben und ihn bitten seinen Buddha zu behalten.
Ich gebe ihm 300 Baht und er bedankt sich schlicht. Ich bin froh das er mich nicht segnet und sich mit einem unterwürfigen Gruß verabschiedet.
Auf der Fahrt weiter nach Udon Thani, liegen die zusammen geführten Ammulette in meinem Schoß und an dieser Stelle ist ein wohltuende Wärme, etwas Fremdes und Vertrautes zu gleich.

Während ich dies alles aufgeschrieben habe, höre ich in der Ferne das Feuerwerk. In Vientiane ist Vollmond und am Morgen des heutigen Tages fanden die Bootsrennen statt. Langboote, die das ganze Jahre über, in einem offenen Gebäude der Tempel, auf diesen Tag warten. Jedes Jahr werden sie vor dem Bootsrennen neu gestrichen und mit starken Farben und Zeichen bemalt. Auf dem Mekong schwebend, werden sie mit kleinen Motorbooten nach Vientiane geschleppt. Geschmückt mit Blumen und Segnungen der Mönche. 50 Männer paddeln, zu zweit nebeneinader sitzend und am Ende stehen drei bis vier Ruderer mit langen Paddeln, sie geben Rhythmus und Richtung für das gesamte Team. Wer einmal gesehen hat wie diese 54 Paddel gleichzeitig ins Wasser stoßen und wieder heraus, der wird es nie wieder vergessen.
Ich hole mir meine Erinnerung zurück, an das heutige Erlebnis und auch an meine eigene Teilnahme, beim Bootsrennen. Zwei Mal habe ich zusammen mit 25 Ausländerinnen und den lebensfreudigen Laotinnen, trainiert bis auf diesen Tag, dem Bootsrennen. Am Tag des Rennens waren wir ein Team, dass zusammen trainierte, Spass hatte und kämpfte.
25 Laotinnen und 25 Ausländerinnen. Auch in unserem Boot waren die stehenden und Richtungsangebenden Ruderer, Männer.

Heute habe ich einen großen Beschützer erhalten, dass Gefühl verlässt mich nicht!

Vientiane, Mittwoch den
6. November 2002

Am Morgen hat mich der junge Mönch Bownthanome angerufen. Wenige Tage zuvor hatte ich ihn bei einem Besuch der Pagode, oder wie die Laoten sagen : Wat, kennen gelernt. Wat Pohn Sei. Seit sieben Jahren weiß ich es gegenüber des DED Büros, doch nur selten bin ich dort gewesen. Mein letzter Besuch dort liegt schon Jahre zurück.
Im DED warteten keine Briefe auf mich, auch Die Zeit war noch nicht da.
Ich war voll von Gedanken über das Buch von Oriana Fallaci: Nichts und Amen, das ich gerade lese und suchte einen Ort der Stille. Wie sich in Europa eine Kirche anbietet, so bieten sich hier inmitten der Stadt, die gerade beginnt aus den Nähten zu platzen, die Wat´s an.
In Vientiane gibt es viele Wat´s, doch Wat Pohn Sei ist ein besonderes Wat, dass auf eine lange Geschichte zurück blicken kann. Genau gegenüber des DED-Büro´s befindet sich auf einem kleinen Hügel eine Gruppe von Buddhastatuen. Sie werden gerade mit Beton überdacht. Unter dem blauen Himmel mochte ich sie lieber, dennoch weiß ich es zu schätzen, das man die Gruppe nun mit einem Betondach vor den heftigen Regenfällen des Monsun schützen möchte. Von der ursprünglichen Watanlage ist nur diese Gruppe übrig geblieben. Alle Gebäude, die heute zum Wat gehören sind erst viel später entstanden.
So stieg ich also den kleinen Hügel hinauf und betrachtete die einzelnnen Buddhastatuen.
Von dort hatte ich einen guten Blick auf die anderen Gebäude und stieg den kleinen Pfad, zu ihnen hinunter.
Vorbei an einer Wäscheleine, an der orangefarbene Stoffbahnen träge herab hingen. Die Bekleidung der Mönche und Novizen. An den Außenmauern prallte das geschäftige Treiben der Strassen ab und wurde unwesentlich. Ich suchte den Bodhibaum, unter dessen schattenspendendem Laub Buddha die Erkenntnis fand. Deshalb gehört zu jedem Tempel ein Bodhibaum. Wie erstaunt war ich aber, als ich zunächst auf drei mächtige Gummibäume traf, deren Luftwurzeln wie üppiges Haar herab hingen und die mit bunten Tüllstreifen umwickelt waren, wie ich es bisher nur von den Bodhibäumen kannte.
Sollte dieses Wat keinen Bodhibaum haben?
Als ich ihn fand, hatten mich auch die Mönche gefunden. Neugierig und offen schauten sie mich an. „Sabei di“. Schönen Tag. Einen gegenseitiges Betrachten folgte. Mönche mit ihren kahl geschorenen Köpfen und mit orangefarbenen Stoffbahnen bekleidet, sind mir immer ein besonderer Anblick. Ein Gesicht gibt soviel mehr Preis, wenn nicht Haare, davon ablenken. Augen werden zum wichtigsten Anziehungspunkt und ich nehme die Form der Nase und die des Mundes viel bewusster war, ja der entkleidete Kopf wird die Wohnstätte des Geistes und man sieht einem Kopf an, wie viel darin wohnt und die Neugier, die wir Europäer so oft verbergen, ist so leicht erkennbar, dass ich gar nicht anders kann, als ebenso offen und neugierig zu sein.
Ich genieße die kleine Überraschung, die mir gelang als ich die Frage beantwortete, die sich zwei der Mönche stellten, nämlich die: Aus welchem Land ich wohl käme.  Und schon nahm das Gespräch seinen Lauf. Wie lange ich denn schon in Vientiane lebte und wo genau ich aus Deutschland käme, was mich veranlasste zu Fragen woher sie denn aus Laos kämen. Die Antworten führten zu weiteren Fragen, ob ich schon einmal dort gewesen sei. Einer der Mönche beschrieb mir sein Dorf ganz genau, weil ich doch schon in der Gegend war und sein Dorf doch kennen müsste. Leider kannte ich es nicht.
Die anderen waren schon ungeduldig geworden, bei unserem Dialog.
Es war wie ein Fest, kurz aber intensiv. Einige trollten sich, nach dem Bownthanone mir erklärte das sie Novizen, also Schüler seien, er aber ein Mönch, aus der Provinz Champasak. Ob ich die alte Watanlage dort besucht habe, Wat Puh. Ich bestätigte ihm das ich dort gewesen war und schon waren wir wieder von anderen Novizen umringt und er unterbrach seine Rede um den anderen Raum zu schaffen. Einer schenkte mir zwei Schokoladenriegel, die ich gerne abgelehnt hätte, aber natürlich nicht ablehnen konnte. So stand ich dann im Folgenden mit zwei Riegeln in der Hand da, die nur mir deplaziert vorkamen.
Bownthanome war fortgegangen um, wie ich bald darauf erkannte, ein Foto von sich zu holen, auf dessen Rückseite er seinen Namen und eine Telefonnummer geschrieben hatte. Er kam damit noch in arge Bedrängnis, es war fast unmöglich für ihn mich alleine zu erwischen, wir fanden dann doch noch einen Weg und ich gab ihm auch meine Telefonnummer.

Nun das alles ist schon einige Tage her und heute rief also Bownthanone an.
Ich erkannte seine Stimme am Telefon nicht wieder und natürlich dachte ich es sei einer der Laoten die sich ab und an verwählen, oder Pan sprechen wollen.
Er wollte gerne das ich ihn heute im Wat Phon Sei besuche, nur ungern akzeptierte er, dass ich heute keine Zeit habe. Ich glaube er befürchtet, dass mein Versprechen in der nächsten Woche wieder zu kommen nur ein Lippenbekenntnis war.
Er kennt mich noch nicht, wie soll er als wissen das ich um die Wahrheit bemüht bin?
„Ich komme wieder.“, ist eine kleine Wahrheit. Es bedeutet das jemand nach diesem Satz zu warten beginnt, mehr oder weniger intensiv. Ein Versprechen.
 

Vientiane, Montag
den 11. November 2002 

Sechzehn Mopeds stehen dicht nebeneinander gedrängt auf dem Dach des Busses. Ich stehe vor der Post und schaue mir dieses Sinnbild von Ordnung, Luxus und Reise an. Alle Mopeds sind bereits mit grünen Plastikleinen quer zur Fahrtrichtung festgebunden. Ob diese Honda Wave Mopeds wohl schon verkauft sind? Oder ob sie für mehrere Fahrzeugläden bestimmt sind? Das sieht man ihnen leider nicht an und die drei jungen Männer die vom Aufladen sichtlich ermüdet sind, werden sich höchstens über so eine Frage wundern, also stelle ich sie nicht. 
Einer von ihnen schlängelt sich geschickt an und über die aufgereihten Fahrzeuge vorbei und wirft drei „Falang-Rucksäcke“ weiter nach vorne. Und richtig, unten im Bus sitzen bereits fünf junge Ausländerinnen, zwei von ihnen haben der Sache wohl nicht getraut und haben ihre Rücksäcke unten im inneren des Busses behalten. Für zwei von ihnen wird der Sitz - und Fußraum noch enger, als es ohnehin schon der Fall ist. Sie sind die einzigen Fahrgäste, die bereits ihre Plätze eingenommen haben, die anderen Fahrgäste trinken irgendwo eine Pepsi, oder einen laotischen Eiskaffee und kommen 20 Minuten vor der Abfahrt des Busses zurück. Die anderen Reisenden sind Laoten, für die die Sitze und der Fußraum genug Platz bietet, sind sie doch viel kleiner. Ihr Gepäck wird währenddessen auf das Dach geladen, oder liegt unter ihren Sitzen, was  „Reserviert“ bedeutet.
Wohin der Bus fährt, frage ich die Männer, die sich im Schatten zwischen zwei Bussen nieder gelassen haben. Zunächst lachen sie unsicher und schauen sich an. Diese Ausländerin spricht Laotisch. Als ich ihre Antwort verstehe ist die leichte Unsicherheit verflogen und wir reden über ihre Arbeit. Sie werden nicht mit dem Bus fahren. Ein anderer Bus der eben laut hupend mit viel Getöse und unter schwarzen Dieselwolken eingefahren ist, wird der nächste Bus sein, den sie beladen. Im Gewimmel von vielen Menschen und unzähligen Fahrzeugen aller Art, die sich auf dem Parkplatz des Dhalat Tsau (wörtlich: Morgen, Markt) tümmeln, können wir den Bus nicht sehen, aber wir haben ihn gehört und gerochen. Eine der großen Straßen ist wegen Bauarbeiten vollständig gesperrt, die Ursache für das üppige Treiben, dass zwar für andere Teile Asiens typisch sein mag, für Laos aber eher ungewöhnlich. Im Gegensatz zu anderen Ländern ist Laos, gemessen an der Bevölkerung ein mehr als halbleeres Land. Doch zurück zu den Mopeds und den Touristinnen.
Die sechzehn Mopeds fahren in einer Stunde, um 16 Uhr, nach Pakse, im Süden von Laos, Provinz Champasak. Morgen früh um fünf Uhr wird dieser Bus in Pakse ankommen, der Kilometerstand wird 620 Kilometer mehr anzeigen, die Entfernung Vientiane – Pakse.
Die Touristinnen werden in der neuen Markthall, die erste Rolltreppe des Landes bewundern können. Gerade erst fertig gestellt und noch nicht in Betrieb genommen, so wie die Markthalle noch nicht eröffnet ist. Anzunehmen, dass sie der Rolltreppe keine Beachtung schenken werden, Rolltreppen gibt es bei ihnen zu Hause auch. 
Viel mehr wird sie das Alte interessieren, Wat Puh zum Beispiel. Eine Tempelanlage, am Fuße des Berges Phou Pasak. Von den ältesten Ruinen dieser Anlage nimmt man an, dass sie 200 Jahre vor Ankor Wat (Cambodia) zu datieren sind.
Während unbeachtet das Moderne, der Westen, die Shorts, unbedeckte Haut, die Soap-Operars, die Eile, die „richtige“ Zubereitung eines Spiegeleies,  ihren Einzug halten, in das Land der Millionen Elefanten.
 

Wat Pohn Sei, Vientiane
Mittwoch den 13. November 2002 

Mönch Bownthanome, schreibt die laotischen Wörter für die Gebäude des Wat in mein Tagebuch. Sim das Hauptgebäude in dem sich der große goldene Buddha befindet. Alam, das offene Langhaus, in dem die Mönche ihre Sperisen einnehmen, Gäste übernachten können  und die Versammlungen des Dorfes statt finden.
Der schlanke Trommelturm, im unteren Teil ist eine große hölzerne Röhre, ein Glocke aus einem Stamm gearbeitet. Im oberen Teil befindet sich die große runde Trommel, deren mächtiger dumpfer Ton, von der straff gespannten Büffelhaut kommt.
An einem meterhohen Bambusgestellt, trocknet schon seit Tagen eine gespannte Büffelhaut, mit kleinen geronnen Blutklumpen. 
Jedes Wort das ich von Bownthanome erbitte schreibt er in  schönen laotischen Buchstaben, auf die freie Seite in meinem Tagebuch. 
Ganz unbefangen blättert er in den schon beschriebenen Seiten. Die eingeklebten Visitenkarten von meinem Hotel in Bangkok, einer Kunstgalerie und dem Foto eines Hotelzimmer ausgeschnitten aus einem Faltblatt, betrachtet er. Die Seiten mit den Korrekturen, Streichungen und Anmerkungen zu meinem Gedicht: „Wo kein Schlaf ist da ist wachen“, scheinen ihn besonders zu interessieren. Zwischen zwei Seiten ist ein Foto von Silvan eingelegt und er sagt: „Silvan.“
An unser erstes Gespräch und die Fragen der beiden Laotinnen, mit ihren drei Monate alten Babys erinnert er sich noch sehr gut, auch an meine Antworten.
Ich bemerke das, als er die Frage eines Novizen an mich beantwortet. Die Frage ob ich noch stillen würde. „Nein,“ sagt Bownthanome, „sie hat aufgehört als Silvan 8 Monate alt war.“
Übermorgen um acht Uhr don sau (am Morgen) will er mich besuchen kommen. Ich brauche eine Weile das zu verstehen, ich kann nicht glauben das er mich wirklich besuchen kann. Darf ein Mönch eine Frau besuchen, zu Hause, in ihrem Haus? Er weiß in welchem Stadtteil ich lebe, in der Nähe der chinesischen Botschaft. Vor einem Jahr haben die kleinen Straßen in vielen Teilen in Vientiane eine Nummer bekommen, dass macht es leichter, den Weg zu beschreiben.
Das dritte Tor auf der linken Seite, drei schwarze Hunde werden seine Ankunft ankündigen, die Klingel ist seit einem halben Jahr leider kaputt.

Auf der Fahrt nach Hause denke ich an die Wendung die unser Gespräch heute genommen hat. Seine Englischkenntnisse sind sehr schlicht. Wir werden uns meines Laotisch bedienen müssen.
 

Vientiane, Donnerstag 
den 14. November 2002 
Heute habe ich den Visumantrag an der Myanmar Botschaft abgegeben. Vier Passbilder, für jedes Antragsformular eins.
Wat Si Amphon liegt nahe der Botschaft und ich ging unter den Bäumen her, vorbei am Sim und den anderen Gebäuden des Wat. Es schien mir ein würdiger Weg nach Myanmar zu sein.
Der erste Sekretär war sehr hilfsbereit und überaus zuvorkommend. Eine Adresse müsse ich in Myanmar angeben. „Ja aber ...“ Wie sollte ich eine Adresse angeben können, fragte ich mich. Er suchte mir einige Faltblätter über Myanmar zusammen, ein kleines Buch reichte er mir aufgeschlagen, die Seite enthielt viele Hoteladressen. „Sie verstehen ....“ Ich verstand und nahm die erste Adresse die mir ins Auge viel. The Strand, 92 Strand Road, Yangon. Auf jeden Antrag schrieb ich diese Adresse, deshalb ist sie mir noch so gut im Gedächtnis. Ich werde es mir auf jeden Fall ansehen, wenn ich im Dezember in Yangon bin, auch wenn ich nicht dort wohnen werde.
Am Freitag kann ich meinen Pass mit dem Visum abholen.
 

Vientane, Freitag
den 15. November 2002 

Heute morgen um 9 Uhr, als ich sicher war das Mönch Bownthanome nun nicht mehr kommen würde kam er. Kamla kam sichtlich aufgeregt zu mir auf die Terrasse. Im Dorf sei ein Mönch der nach Lona fragt und das sei doch ich, seine Madam, aber das könne doch gar nicht sein. Ich freute mich das Bownthanome doch noch gekommen war und ging um ihn zu begrüßen. Er hatte sogar ein Gastgeschenk dabei, welch eine Ehre. Kamla wollte gar nicht wieder gehen und setzte sich zu ihm an den Tisch auf die Terrasse. Ich bat Pan in der Küche, eine Ovantine, ein schokoladenhaltiges Getränk zu bereiten und  einen Kaffee für mich.
Sie eilte hinaus mit einem Glas Wasser, dass sie mit beiden Händen, auf den Tisch abstellte, erstaunt über meinen ungewöhnlichen Besucher.
Kamla freute sich wie ein Kind, als er mir erzählte Mönch Bownthanome und er kommen aus der gleichen Gegend. Saravan, Champasak, im Süden von Laos. Schon hatte er Bownthanome sein halbes Leben erzählt: Kamla war 15 Jahre als seine Eltern starben, dass sei eine sehr schwere Zeit für ihn gewesen. Er musste nach Vientiane gehen um Geld zu verdienen. Er sei glücklich für mich zu arbeiten, ich habe ein gutes Herz.
Pan war anzumerken, dass sie hin und her gerissen war. Auf der einen Seite wollte sie bleiben, auf der Anderen aber, in die Küche gehen um für Bownthanome ein gesundes stärkenden Getränk kochen. Ihre Fürsorge gewann und sie verschwand in der Küche.
Kamla redete immer noch ganz unbekümmert. Als Bownthanome schon eine Weile nur noch freundlich nickte, zu dem Fluß aus Worten der sich über ihn ergoss, bemerkte Kamla plötzlich das Bownthanome mein Gast war und das es Zeit war den Raum freizugeben.
Bownthanome saß da, als sei seine Anwesenheit das Natürlichste. Ganz so, als sei er schon viele Male hier gewesen. So legte sich auch meine Befangenheit, denn ich befürchtete nicht alle Regeln zu kennen. Das ich wusste, ich als Frau darf ihm keine Gegenstände reichen, erschien mir ein sehr kleines Wissen. Was wusste ich alles nicht?
So war ich Kamla insgeheim dankbar für die Zeit die er mir verschafft hatte. Auch wenn Bownthanome noch ein sehr junger Mönch ist, so ist er doch ein Mönch und keine Novize mehr, oder gar ein junger Mann der nur die Pflichtzeit seines Lebens, für zwei bis vier Wochen die Kleidung eines Mönches trägt und für eine kurze Zeit im Wat lebt. 
Pan bringt die Ovantine und entschuldigt sich das sie nur mit heißem Wasser zubereitet ist. Auch ich entschuldige mich, ich habe zu spät erfahren das Ovantine mit der dickflüssigen, süßen Dosenmilch zubereitet wird. Bonthanome lächelt nur, ganz der Mönch der daran gewöhnt ist, dass man ihn achtet. Als wir wieder alleine sind, verwandelt er sich in den jungen Mann, der gekommen ist mich zu besuchen und von mir zu lernen. Englisch, eine Sprache die er nur wenig beherrscht. Wir lesen gemeinsam einen Dialog, die erste Lektion aus einem Lehrbuch, dass er mitgebracht hat. Die Kopie eines Lehrbuches, dessen Einband mit blauem Isolierband sorgfältig nachgeheftet wurde.
Einen kurzen Moment fällt es mir schwer seine Frage, wie er gelesen habe, ehrlich zu beantworten. Der Dialog ist ihm vertraut, er hat ihn viele Male gelesen. Jeder Satz ist übersetzt und in laotischer Schrift geschrieben. Er versteht jedes Wort in diesem Zusammenhang. Über viele Worte stolpert er so sehr, dass ich sie nicht verstanden hätte, hätte ich sie nicht gelesen. Das sage ich ihm und auf seinem Gesicht formt sich ein enttäuschtes „Oh!“. Schnell spreche ich weiter, mit jeder Woche würde es besser werden und er lächelt überzeugt.
Wir machen eine Pause. Ich weiß schon wie gerne Laoten Fotos betrachten und Bohnthanome betrachtet sie ganz besonders aufmerksam.
Ob Schnee hart oder weich sei?
Ob ich auf diesem Foto noch unverheiratet sei?
Sind dies meine Eltern?
Kann man im Winter wirklich auf dem Wasser gehen?
Diese Engel aus Stein, sind sie in einem christlichen Tempel?
Ah, ein Dinosaurierskelett.
Es erstaunt ihn, dass ein Elefant in der Winterlandschaft, aufgenommen im Berliner Zoo, nicht friert.
Er weiß das Berlin die neue Hauptstadt von Deutschland ist.
Zu einem Bild von mir blättert er so oft zurück, bis ich ihn schließlich frage ob er es haben möchte. Er bittet mich auf die Rückseite etwas zu schreiben. Ich schreibe meinen Namen, eine Jahreszahl und eine Telefon Nr., genauso, wie er es auf das Bild geschrieben hatte, dass er mir bei unserer ersten Begegnung vor wenigen Tagen schenkte. Vor ein paar Tagen erst! Seltsam.
Ich hole meine kleinen Karteikarten, die ich seit drei Jahren nicht mehr angesehen habe. Ich erkläre wie ich diese kleinen Karten benutzt habe um Laotisch zu lernen. In einer viel zu großen Schrift, habe ich die laotischen Schriftzeichen auf die Vorderseite gemalt. Er verbessert einige, das kleine Zeichen, dass aussieht wie eine 2 mit Schwänzchen, habe ich oft vergessen. Es gibt die Betonung eines einzelnen Buchstabens an. Es macht ihm Freude. Er entdeckt eine Karte auf der ich meinen Namen in laotischen Buchstaben geschrieben habe, energisch streicht er das „i“ aus, so fängt ein schlechtes Wort an! Ich frage nicht welches. Lona also.
In mein Wörterbuch englisch – laotisch, laotisch – englisch, vertieft er sich lange. Immer wieder zeigt er mir ein englisches Wort und ich lese das Laotische vor, was nicht immer ohne seine Hilfe gelinkt. Ich habe so lange schon nicht mehr gelesen. Gutes Herz, tchei di; Dieb, Kon ki lak. Lehrer, Esslätzchen, Schüler, Venen. 
Wir lachen als ich auf die Venen seines Armes deute, darüber das man seine Venen sehen kann und meine nicht. Wütend, ob er wütend sei? „Bor!„ nein und er lacht.
Die vielen Wörter für Mönch, die mich verwirren. Er möchte sie mir gerne erklären, doch es gelingt nicht. Der Höflichkeitsformen sind zu viele, auch außerhalb des Tempels. Die Schwester der Mutter, die Schwester des Vaters. Höfliche Anrede für Gleichaltrige, für Jüngere, für Ältere. Diese Anreden unterscheiden auch zwischen Männern und Frauen, Lehrern, Ministern, Parlamentsmitglieder, Mitglieder der direkten Regierung usw. usw. Nur sehr wenige Ausländer die das nach Jahren in Laos beherrschen.
Pan kocht in der Küche inzwischen das Mittagessen. Plötzlich bin ich unsicher ob Khu Bha (Mönch) Bownthanome und ich die Zeit überschritten haben. Flüsternd, obgleich Bownthanome mich gar nicht hören kann, frage ich Pan ob er denn noch essen dürfe. Ein Mönch isst nur zweimal am Tag. Morgens drei Stunden nach dem er gebetet hat und gegen 6 Uhr sein Essen, auf einem festgelegten Weg durch das Dorf, von Gläubigen, eingesammelt hat. Sie hocken auf Matten oder auf dem bloßen Boden und geben kleine Speisen in die Schalen der Mönche, die an ihnen vorbei ziehen. Sie erhoffen sich durch die kleinen Gaben Reis, Gemüse und auch Fleisch ein besseres Karma. Oder sie bitten die Mönche schlicht für sie ein allgemeines Gebet zu sprechen.
Die zweite Mahlzeit gegen Mittag, etwa 11 Uhr. Meist sind es die Reste des morgendlichen Ganges durch das Dorf, manchmal bringen Frauen aber auch gekochtes in das Wat. Bis auf den Reis sind die anderen Speisen längst schon kalt geworden, niemand der dem Beachtung schenkt. Danach gibt es für die Mönche Wasser und Tee, bis zum nächsten Morgen.
Pan lacht und versichert mir, dass der Mönch noch essen dürfe. In der Küche stehen bereits meine blauen Schalen bereit, gefüllt mit dampfendem Reis. Dieses Geschirr wird nur selten benutzt und mich beeindruckt ihrer Umsicht.
Ich bitte Bownthanome sich zuerst zu nehmen, dass  Protokoll schreibt wiederholte Bitten und Einladungen doch zuzugreifen vor, zu meiner Erleichterung verzichtet er darauf und bedient sich ganz selbstverständlich selbst. Als er fertig ist fülle auch ich meinen Teller mit Reis, gefüllten Tomaten die mir Käse überbacken sind. Käse, ich bin sicher Bownthanome hat noch nie Käse gegessen. Es schmeckt ihm und unaufgefordert füllt er seinen Teller ein zweites Mal.
Im Wat dürfte ich nicht gemeinsam mit ihm zu Mittag essen. Ich würde schweigend auf dem Boden sitzen, die Knie angewinkelt und die Füße halb hinter mir. Der Fuß gilt als unrein und darf nicht in seine Richtung weisen. Ein Mönch ist angehalten langsam und bedachtsam zu essen. Wenn Bownthanome seine Mahlzeit beendet hätte, gäbe er ein winziges Zeichen und Novizen würden herbei eilen und den 20 Zentimeter hohen Tisch mit den vielen gefüllten Schalen, hoch nehmen und zu mir und einigen anderen Gästen, meist Frauen, die zuvor das Essen gebracht hatten, tragen und erst dann dürften wir essen. Mit den Fingern kleinen Löffel aus dem Klebreis formen und Gemüse, Fleisch (wenn es noch welches geben sollte) aufnehmen und alles zusammen in den Mund stecken. Nur die Brühe wird mit einem kleinen flachen Löffel gegessen, der nur halb so groß ist wie ein Europäischer. Der Löffel wird nicht etwa in den Mund gesteckt, sondern an den Mund geführt und die Brühe wird getrunken, alte Menschen, oder einfache Menschen (wie die Laoten sagen) schlürfen.
Doch hier können Bownthanome und ich gemeinsam essen. Ich räume den Tisch selbst ab und er scheint belustigt dass ich mir dieser Aufgabe bewusst bin und nicht Pan darum bitte.
Nach dem Mittagessen ist eine Stunde Ruhe angesagt und ich überlege schon besorgt wo ich Khu Bha Bownthanome um Himmels willen hinlegen soll?
Doch zum Glück macht er keinerlei Anstalten und begibt sich erneut auf eine Wortreise in das Wörterbuch. Ganz vertieft ist er und weit weg. Ich schaue ihm schweigend zu und verstehe plötzlich die Stille, nebeneinander schweigen können. Für ihn ist die Stille Versenkung Teil seines Lebens, ihm kann gar nicht der Gedanke kommen, dass sein Schweigen ungewöhnlich auf mich wirken könnte.

Er würde gerne einmal fliegen. Deutschland sehen. Reisen. Ich stelle mir vor wie ich mit Khu Bha Bownthanome in Deutschland ankomme. Wie er in seinen dünnen Stoffbahnen im Flugzeug friert. Wie seltsam er in Deutschland wirken würde. Wie gerne ich ihm Deutschland zeigen würde!

Es ist 14 Uhr vorbei, als ich Pan bitte ein Tuc-Tuc für ihn zu hohlen. Sie fährt mit ihrem Moped davon.
Ich beobachte Bownthanome wie er sein Gewand richtet, ich hoffe das ich dies unauffällig tue. Das obere Gewand ist ein knöchellanger Schlauch, den er ganz entfaltet und mit geübten Händen, eine Ecke zu ein einer langen Stoffwulst rollt die er über die Schulter wirft. Nun ist er bis zum Hals bekleidet, die nackte Schulter, die Arme sind verschwunden, nur die Hände sind noch zu sehen. Schöne Hände! Seien blaue Tasche mit dem Lehrbuch hängt an ihm, wie ein weiteres Kleidungsstück. Ich verspreche am Montag in der einzigen freien halben Stunde zu kommen, zwischen den Lehren Buddhas und dem Gong zum Abendgebet.
Vor dem Tor ist das Tuc-Tuc angekommen. Pan begleitet ihn durch das Tor hinaus.
Erst später wird mir klar das ich ihn hätte begleiten müssen, doch ich saß ganz benommen einfach nur da.
 

Wat Pohn Sei, Vientiane Montag,
den 18. November 2002 

Kuh Bah Bownthanome hat mich offensichtlich schon erwartet. Als ich aus dem Auto steige steht er bereits unter dem Torbogen der das Werk eines Zuckerbäckers sein könnte, wäre er nicht so groß. 
Sein Kopf ist kahlgeschoren. Eine Bemerkung erspare ich uns, da es mir unpassend erscheint seinen Kopf zum Thema zu machen. Er wirkt kleiner wie er dasteht, in seiner orangen Sutane und den einfachen Plastikschuhen und mir entgegen schaut, während ich die 20 Meter zwischen uns überwinde. Ich bin 15 Minuten zu spät, kein Wort darüber, es ist alles noch so neu und die Vertrautheit die am Freitag zwischen uns entstanden war, muss wieder neu aufgebaut werden. Bownthanome ist anders als alle Mönche die ich bisher kennen gelernt habe. Eine Achtsamkeit völlig frei von jeder Wertung. Eine Würde die frei von Stolz ist.
Wir gehen einige Schritte und bleiben unter einem weitausladenden Bodibaum stehen. Hier ist es viel kühler. Einige Sonnenflecken schaffen es bis auf den Boden zu unseren Füßen. Die Kopie des Wörterbuches überrascht ihn, obgleich ich es versprochen hatte. Etwas das wir voneinander lernen könnten, wenn die Zeit es zulässt und meine Besuche keinen Missfallen erregen. In einer Lehre Buddhas wird die Freundschaft besonders hervor gehoben. Buddha sagt darin, dass ein guter Freund hilft sich selbst zu erkennen.
Der Gong der zum Gebet ruft ist schon verklungen. Khu Bah Bonthanome folgt mir einige Schritte und bleibt schließlich stehen, sein Fuß spielt mit seiner Sandale. Ich habe eine Grenze erreicht und verstehe. Ich will mich verabschieden, doch er lässt es nicht zu. Die anderen Mönche sind im Sim verschwunden, der Singsang ihrer Gebete ist unüberhörbar. Ob er nicht auch gehen müsse? Er lächelt nur und ich bleibe.
Eine leichte Spannung jedes Mal wenn ein Novize vorbeikommt, die sich abbaut wenn Bowthanome ihn erkennt. Ich nehme mir vor nicht mehr so kurz vor dem Abendgebet zu kommen, ungewollt habe ich diese zwiespältige Situation verursacht.
Bownthanome geht in das Haus, in dem er mit den anderen Mönchen wohnt. Er bittet mich zu warten und versichert sich mehrfach, ob ich ihn verstanden habe und warten werde.
Er möchte mir ein Buch mit Sprüchen schenken. Ich protestiere schwach, es wird mich ein Jahr kosten diese Sprüche in laotischer Schrift zu übersetzen! Meinen Protest lässt er nicht gelten. Wir schweigen, eingeschlossenen in einer Sprache, die für diese Begegnung nicht ausreicht.
Befangen verabschieden wir uns voneinander. 
Ich hoffe sein Fehlen beim Abendgebet hat keine Folgen für ihn.
 

Vientiane, Dienstag
den 19. November 2002 

Heute besuche ich das That Luang Fest, einen Tag vor Vollmond, ein besonderer Tag im buddhistischen Kalender. Alle Mönche haben nackte Köpfe. Zu Hunderten sind sie zu diesem Fest aus ganz Laos gekommen. In den Seitengängen rund um das erhabene That Luang, sind sie untergebracht. Die Nacht verbringen sie auf einfachen Matten. Selbst die Erhabensten unter ihnen. Einzig weiße Stoffbahnen schützen sie vor den Blicken neugieriger. Nur wenig haben sie mitgebracht. Eine Schale, ein Kamm und eine Zahnbürste. Ihre Speise erhielten sie in den frühen Morgenstunden von Gläubigen die in langen Schlangen geduldig darauf warten an die Reihe zu kommen.
Der Rauch von vielen Räucherstäbchen lässt alles unwirklich und der Zeit entrückt erscheinen.
40.000 Kip spende ich für den Bau der neuen Tempelanlage. Früher befanden sich um das That Laung vier Tempel. Für jede Himmelsrichtung ein Tempel. Zwei sind bis zum heutigen Tag übrig geblieben. Der neue Tempel wird ein riesiges Monument des buddhistischen Glaubens. Als Dank für meine Spende erhalte ich ein buntes Zertifikat, auf dem der fertige Tempel in all seiner Pracht zu sehen ist. Mein Name wurde an die beiden alten Mönche weitergegeben und er ertönt über Megaphon über den Platz. Lona aus Deutschland hat 40.000 Kip gespendet. Ich muss lächeln und die Umstehenden betrachten mich wohlwollend. In diesem kurzen Augenblick bin ich Teil dieses Tages.
 

Vientiane, Freitag
den 22. November 2002 

Mein Visum für Myanmar ist fertig. Zu dritt sitzen wir in einer Sesselgruppe aus grauem Kunstleder. Konsul, der Sekretär und ich. Wohin mich meine Reise führen wird?
Ich entschuldige mich damit das ich nur eine Woche habe und mir einzig die Hauptstadt, Yangon ansehen werde. Bestürzt schaut mich der Konsul mit seinen schwarzen Augen an, aber nein, will er mich trösten, dass Visum ist gültig für vier Wochen. Beredet zählt er mir all die Orte auf die Myanmar zu bieten hat und dann das Meer, ich solle das Meer bei all dem nicht vergessen. 
Doch ich habe nur eine Woche Zeit, leider. Vielleicht im nächsten Jahr.
Sie wünschen mir eine gute Reise und ich gehe. Ein wenig traurig darüber, dass ich nun keinen Grund mehr habe, sie in ihrer Botschaft zu besuchen.

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